Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
überqueren, ohne daß man hakenschlagend durch rasch fließenden Verkehr springen mußte. Ich mußte ins Auto steigen und hinüberfahren! Ich ärgerte mich und fand es lächerlich, doch hinterher begriff ich, daß ich vermutlich der einzige Mensch war, der je in Erwägung gezogen hatte, diese Kreuzung zu Fuß zu überwinden. Tatsache ist, Amerikaner laufen nicht nur nirgendwohin, sondern sie wollen es auch nicht, und wehe dem, der versucht, sie dazu zu bringen!
    Die Stadt Laconia hier in New Hampshire mußte das aus bitterer Erfahrung lernen. Vor ein paar Jahren gab sie fünf Millionen Dollar dafür aus, das Stadtzentrum mit einer Fußgängerzone auszustatten, in der man schön einkaufen konnte. Ästhetisch war es ein voller Erfolg – von überall her strömten die Stadtplaner herbei, staunten und machten Fotos –, aber kommerziell war es eine Katastrophe. Als die Leute gezwungen waren, vom Parkplatz aus einen ganzen Block zu laufen, kamen sie nicht mehr in die Innenstadt, sondern gingen in die Einkaufszentren am Stadtrand.
    1994 grub Laconia die hübsche Ziegelsteinpflasterung aus, nahm die Ruhebänke und Geranienkübel und schmucken Bäume weg und legte die Straße wieder dort an, wo sie vorher gewesen war. Nun, da die Leute erneut unmittelbar vor den Läden parken können, gehen die Geschäfte prächtig. Und wenn das nicht traurig ist, weiß ich nicht, was es ist.

    Gärtnern mit meiner Frau

    Ich muß mich beeilen, denn heute ist Sonntag und das Wetter herrlich, und Mrs. Bryson nimmt ein großes ehrgeiziges Gartenbauprojekt in Angriff. Schlimmer noch: Sie trägt, was ich ängstlich ihre Nike-Miene nenne – die Miene, die mir sagt: »Just do it.«
    Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Mrs. Bryson ist ein selten reizendes Geschöpf, und ich brauche weiß Gott jemanden, der mein Leben ein wenig strukturiert und den Überblick behält, aber wenn sie am Wochenende Block und Stift zückt und die gefürchteten Worte »Bitte erledigen« darauf schreibt (und mehrmals heftig unterstreicht), dann weiß ich, daß ich bald nichts sehnlicher wünsche, als daß es Montag wird.
    Ich liebe den Garten – aus irgendeinem Grunde kommt mir die Kombination von geistlosem Vor-sich-Hinwerkeln und beharrlichem Ausbuddeln von Würmern entgegen -, aber ich reiße mich, ehrlich gestanden, nicht darum, mit meiner Frau zu gärtnern. Sie ist nämlich Engländerin, und wenn sie mich fragt: »Hast du die Stecklinge der Dianthus chinensis gesetzt?« oder »Hast du auch daran gedacht, die vergreisten Teile an dem Phlox subulata herauszuschneiden?«, dann bin ich schon immer ganz eingeschüchtert.
    Es ist typisch britisch und – schrecklich. Furchterregend! Selbst jetzt erinnere ich mich noch, wie erstaunt ich war, als ich in England zum erstenmal Gardeners' Question Time , die Fragestunde für den Gartenfreund auf BBC, gehört habe und zu meinem geheimen Entsetzen begriff, daß ich unter ein Volk gefallen war, das sich nicht nur bestens bei echtem und falschem Mehltau, Pfirsichblatt-Kräuselkrankheit, optimalem pH-Wert oder dem Unterschied zwischen Coreopsis verticillata und Coreopsis grandiflora auskannte, sondern das Ganze auch noch todernst nahm – ja, eine tiefe Befriedigung darin fand, über solche Themen lange und lebhafte Diskussionen zu führen.
    Ich komme aus einer Gegend, wo es heißt, man hat einen grünen Daumen, wenn man einen Kaktus auf dem Fenstersims am Leben erhält; meine Herangehensweise an die Gärtnerei ist also seit jeher weniger akademisch. Ich verfahre nach folgender – übrigens gut funktionierender Methode: Alles, was bis zum August nicht geblüht hat, wird als Unkraut behandelt, der Rest mit Knochenmehl, Schnekkenkörnern und was ich sonst noch im Gartenschuppen herumliegen sehe, eingedeckt. Ein-, zweimal im Sommer kippe ich den Inhalt sämtlicher Behälter mit einem Schädel und verkreuzten Knochen auf dem Etikett in einen Sprühkanister und neble den Garten ordentlich ein. Die Methode ist unorthodox, und ich gebe gerne zu, daß ich gelegentlich einem jäh umstürzenden Baum, der auf meine Fürsorge nicht anspricht, aus dem Wege springen muß, aber im allgemeinen ist sie erfolgreich, und ich habe einige interessante, neuartige Mutationseffekte erzielt, wie zum Beispiel einmal einen Zaunpfahl zum Fruchttragen gebracht.
    Jahrelang und besonders, als die Kinder noch klein waren und allen möglichen Unfug anstellten, hat meine Frau mir den Garten überlassen. Ab und zu trat sie heraus und fragte, was ich da

Weitere Kostenlose Bücher