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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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lächelnden Herren, deren Frisuren denen der Thunderbirds-Figuren nachempfunden zu sein scheinen.
    »Ach, eigentlich hatte ich auf etwas weniger Zackiges gehofft.«
    »Einen natürlichen Look, mit anderen Worten?«
    »Genau.«
    »Wie meine Frisur zum Beispiel?«
    Ich werfe einen Blick darauf und muß dabei an einen Flugzeugträger denken, der durch kabbelige See pflügt, oder an einen kunstvoll in Form geschnittenen Buchsbaum.
    »Noch dezenter«, sage ich nervös.
    Er nickt so nachdenklich, daß mir klarwird, daß wir uns in punkto Frisurengeschmack nicht einmal im selben Universum befinden, und sagt plötzlich sehr entschieden: »Ach, ich weiß, was Sie wollen. Wir nennen es den Wayne Newton.«
    »Das hatte ich nun nicht gerade im Sinn«, protestiere ich zaghaft, aber schon stößt er mir das Kinn auf die Brust und wetzt die Schermesser.
    »Ein sehr beliebter Schnitt – im Bowlingteam haben sie ihn alle«, fügt er noch hinzu und fängt mit lautem Motorengebrumm an, Haar von meinem Kopf zu scheren, als reiße er Tapete von der Wand.
    »Ich will wirklich nicht den Wayne-Newton-Look«, murmele ich nachdrücklich, aber mein Kinn ist an meiner Brust vergraben, und meine Stimme wird ohnehin vom Brummen seiner tänzelnden Klingen übertönt.
    Und so sitze ich dann für eine kurze Ewigkeit auf der Folterbank, starre unter der strikten Anweisung, mich nicht zu bewegen, in meinen Schoß und lausche, wie die furchterregenden Messer über meinen Schädel ackern. Aus den Augenwinkeln heraus sehe ich große Mengen geschorenen Haares auf meine Schultern fallen.
    »Nicht zuviel abschneiden«, jammere ich von Zeit zu Zeit, aber »Zwei linke Hände« ist in ein lebhaftes Gespräch über die Aussichten des Basketballteams Chicago Bulls mit dem Kollegen und dem Kunden neben mir vertieft und wendet seine Aufmerksamkeit nur gelegentlich mir und meinem Haupte zu. »Au, verflixt!« oder »Huch!« zirpt er dann.
    Endlich reißt er mir den Kopf hoch und sagt: »Wie ist die Länge?«
    Ich schiele in den Spiegel, aber ohne meine Brille kann ich nur etwas sehen, das entfernt einem rosaroten Windbeutel ähnelt. »Ich weiß nicht«, stammle ich. »Es sieht schrecklich kurz aus.«
    Ich bemerke, wie er unglücklich auf den Bereich oberhalb meiner Augenbrauen schaut. »Hatten wir uns für Paul Anka oder Wayne Newton entschieden?« fragt er.
    »Na, eigentlich für keinen von beiden«, sage ich erfreut, daß ich das endlich klarstellen kann. »Ich wollte nur einen bescheidenen Formschnitt.«
    »Na, dann fragen wir mal anders herum«, sagt er: »Wie schnell wächst Ihr Haar?«
    »Nicht sehr schnell«, erwidere ich und schiele angestrengter in den Spiegel, kann aber immer noch nichts erkennen. »Warum? Gibt's ein Problem?«
    »O nein«, versichert er mir, allerdings so, daß es »O ja« bedeutet. »Nein, nein, alles klar«, fährt er fort. »Nur habe ich leider links einen Paul Anka und rechts einen Wayne Newton geschnitten. Deshalb will ich Sie noch folgendes fragen: Besitzen Sie einen großen Hut?«
    »Was haben Sie gemacht?« frage ich, zunehmend laut und alarmiert, aber er ist schon zu den Kollegen gegangen, um sich mit ihnen zu beraten. Sie schauen mich an wie das Opfer eines gräßlichen Verkehrsunfalls und flüstern.
    »Ich glaube, es liegt an den Antihistaminen, die ich nehme«, höre ich »Zwei linke Hände« traurig zu ihnen sagen.
    Ein Kollege kommt, um sich die Sache von nahem zu betrachten, und meint dann, daß es so katastrophal, wie es aussieht, nicht ist.
    »Wenn du von dem Haar hier hinter dem linken Ohr was nimmst«, sagt er, »es um seinen Hinterkopf schlingst und über dem rechten Ohr festzurrst und eventuell etwas von dem hier wieder dranklebst, dann hast du einen modifizierten Barney Geröllheimer.« Er wendet sich an mich. »Gehen Sie in den nächsten Wochen viel außer Haus, Sir?«
    »Haben Sie ›Barney Geröllheimer‹ gesagt?« wimmere ich bestürzt.
    »Es sei denn, Sie stehen auf Hercule Poirot«, meint der Kollege.
    »Hercule Poirot?« greine ich wieder los.
    »Zwei linke Hände« versucht zu retten, was zu retten ist. Nach nochmals zehn Minuten gibt er mir meine Brille, und ich darf den Kopf heben. Der Spiegel konfrontiert mich mit meinem Konterfei, das an einen Arsch mit Ohren erinnert. Über meinen Schultern lächelt »Zwei linke Hände« stolz.
    »Ist doch ganz gut geworden, was?« sagt er.
    Ich bin unfähig zu sprechen. Ich gebe ihm eine Riesensumme Geldes und taumele aus dem Laden. Den Heimweg bewältige ich mit

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