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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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und warm blieb.
    In besonderer Erinnerung ist mir das Huntington Hotel in San Francisco geblieben. Der Ober hob schwungvoll einen silbernen Deckel, und zum Vorschein kam eine Schüssel weißen Schleims.
    »Was ist denn das?« fragte ich.
    »Meines Erachtens Vanilleeis, Sir«, erwiderte er.
    »Aber es ist ja schon geschmolzen«, sagte ich.
    »Sehr wohl«, pflichtete er mir bei. »Guten Appetit«, fügte er, sich verbeugend, hinzu, kassierte das Trinkgeld und entschwand.
    Auf den Lesereisen lümmelt man sich natürlich nicht nur in noblen Hotelsuiten herum, glotzt fern und schlabbert geschmolzenes Eis. Man muß auch Interviews geben – jede Menge, mehr, als man sich vorstellen kann, oft schon vor Morgengrauen und bis nach Mitternacht –, und dazwischen muß man absurd viel reisen. Weil so viele Autoren auf Tour sind und ihre Bücher an den Mann bringen wollen – in Hochzeiten bis zu zweihundert, habe ich mir sagen lassen –, es aber nur eine begrenzte Anzahl Radio- und Fernsehsendungen gibt, in denen man auftreten kann, wird man gewöhnlich überall da hineingeschoben, wo freie Sendezeit ist.
    Innerhalb von fünf Tagen jettete ich einmal von San Francisco nach Atlanta, Chicago und Boston und dann wieder zurück nach San Francisco. Ein andermal flog ich wegen eines Dreißigsekundeninterviews von Denver nach Colorado Springs. Und – ich schwöre! – es verlief so:
    Interviewer: »Heute ist unser Gast Bill Bryson. Sie haben also ein neues Buch rausgebracht, Bill, Stimmt's?«
    Ich: »Ja.«
    Interviewer: »Wunderbar. Vielen Dank, daß Sie gekommen sind. Morgen ist unser Gast Dr. Milton Greenberg, der ein Buch über Bettnässen geschrieben hat. Titel: Tränen beim Schlafengehen .«
    In drei Wochen habe ich mehr als zweihundertundfünfzig Interviews gegeben und kein einziges Mal jemanden getroffen, der mein Buch gelesen oder den blassesten Schimmer hatte, wer ich war. Bei einem Radiosender legte der Journalist unmittelbar, bevor wir auf Sendung gingen, die Hand übers Mikrofon und sagte: »Jetzt erzählen Sie mir noch rasch, sind Sie der Typ, der von Aliens entführt worden ist, oder der Reiseschriftsteller?«
    Es geht einzig und allein darum – wie mich Bill Parkhurst ja auch gelehrt hatte –, daß man sich schamlos verkauft, und glauben Sie mir, das lernt man schnell.
    Heute ist mir das wahrscheinlich alles wieder eingefallen, weil ich mitten auf einer dreiwöchigen Promotionstour in Großbritannien bin. Denken Sie jetzt bitte nicht, ich will mich anbiedern, aber Lesereisen hier sind im Vergleich zu denen in den USA ein Traum. Die Reiseentfernungen sind kürzer, was viel ausmacht, und im großen und ganzen stellt man fest, daß die Interviewer das Buch gelesen oder zumindest ein Buch gelesen haben. Die Buchhändler und ihre Chefs sind engagiert und freundlich und das Lesepublikum ohne Ausnahme intelligent, anspruchsvoll, enorm gutaussehend und großzügig im Kaufverhalten. Ich weiß, daß Leute die Sonntagszeitung mit den Worten hingeworfen haben: »Ich glaube, ich hole mir das Buch von
    dem ollen Bill jetzt sofort. Vielleicht kaufe ich sogar noch ein paar als Weihnachtsgeschenke.«
    Es ist eine verrückte Art des Geldverdienens, gehört aber zu den Pflichten eines Erfolgsautors. Ich danke nur Gott, daß es meiner Integrität nicht geschadet hat.

    Der Tod lauert überall

    Als mir das letztemal wirklich siedendheiß bewußt wurde, daß dort draußen der Tod lauert – ja, dort draußen, da drückt er sich herum – und daß er meinen Namen auf der Liste hat, saß ich im Flieger von Boston nach Lebanon, New Hampshire, und wir hatten ein paar Probleme.
    Der Flug über die alten Industriestädte des nördlichen Massachusetts und des südlichen New Hampshire hin zum Connecticut River, wo die runden Bergkuppen der Green und White Mountains gemächlich ineinander übergehen, dauert normalerweise nur fünfzig Minuten. Es war an einem späten Oktobernachmittag, kurz nachdem wir die Uhren für den Winter umgestellt hatten, und ich hoffte schon, daß ich den letzten rostroten Schimmer der Herbstfarben auf den Bergen würde genießen können, bevor das Tageslicht verschwand. Aber binnen fünf Minuten nach dem Start rumpelte unsere kleine Maschine – eine sechzehnsitzige De Havilland – durch mächtiges Gewölk, und es war klar, daß wir an diesem Tag keinen spektakulären Rundblick mehr geboten bekamen.
    Also las ich ein Buch und versuchte krampfhaft, die Turbulenzen zu ignorieren und meinen Kopf davon abzuhalten, sich

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