Streiflichter aus Amerika
hochgeschlagenem Kragen, den Kopf tief zwischen die Schultern gezogen.
Dort wirft mir meine Frau einen Blick zu und fragt aufrichtig erstaunt: »Hast du was gesagt, über das sie sich geärgert haben?«
Ich zucke hilflos mit den Achseln. »Ich habe nur gesagt, ich wollte wie ein Steuerberater aussehen.«
Sie stößt einen Seufzer aus, den alle Ehefrauen irgendwann in ihrem Leben lernen. »Bevor oder nachdem er die Treppe runtergefallen ist?« murmelt sie merkwürdig sybillinisch und holt den großen Hut.
Auf Lesereise
In diesem Monat vor zehn Jahren bekam ich einen Anruf von einem amerikanischen Verleger, der gerade eins meiner Bücher gekauft hatte und mich auf eine dreiwöchige Promotionstour durch sechzehn Städte schicken wollte.
»Wir machen Sie zum Medienstar«, erklärte er fröhlich.
»Aber ich bin noch nie im Fernsehen gewesen«, protestierte ich leicht panisch.
»Ach, nichts lieber als das. Es wird Ihnen gefallen«, sagte er mit der heiteren Gewißheit desjenigen, an dem dieser Kelch vorüberging.
Ich ließ mich nicht beirren. »Nein, ich bin bestimmt schrecklich. Ich habe keine Ausstrahlung.«
»Keine Bange, wir verpassen Ihnen eine. Wir fliegen Sie zu einem Medientraining nach New York.«
Mir sank das Herz in die Hose. Das war mir alles nicht geheuer. Zum erstenmal, seit ich 1961 versehentlich die Garage eines Nachbarn in Brand gesteckt hatte, dachte ich ernsthaft über die Möglichkeit einer Gesichtsoperation und ein neues Leben in Mittelamerika nach.
Doch ich flog nach New York, und siehe da! Das Medientraining war weniger qualvoll, als ich befürchtet hatte. Ich wurde einem gütigen, geduldigen Mann namens Bill Parkhurst überantwortet, der sich irgendwo in Manhattan zwei Tage lang in ein fensterloses Studio mit mir setzte und mich einer endlosen Reihe Pseudointerviews unterzog.
Er sagte zum Beispiel: »Okay, jetzt machen wir ein Dreiminuteninterview mit einem Typen, der sich Ihr Buch erst zehn Sekunden vorher angeguckt hat und nicht weiß, ob es ein Kochbuch oder eins über Gefängnisreform ist. Außerdem ist der Kerl nicht der Hellste und unterbricht Sie dauernd. Okay, los geht's.«
Dann drückte Bill Parkhurst auf seine Stoppuhr, und wir machten das Interview. Und noch einmal und noch einmal. Und das ganze zwei Tage lang. Am Nachmittag des zweiten Tages mußte ich mir die Zunge mit den Fingern in den Mund zurückstopfen. »Jetzt wissen Sie, wie es Ihnen am zweiten Tag der Tour geht«, sagte mein Ausbilder frohgemut.
»Und wie ist es nach einundzwanzig Tagen?« fragte ich.
Er lächelte. »Sie werden es toll finden.«
Erstaunlicherweise hatte er fast recht. Lesereisen machen wirklich Spaß. Man wohnt in hübschen Hotels, wird überall in einem großen silbernen Auto hinkutschiert, als sei man weit wichtiger, als man in Wirklichkeit ist, kann jeden Tag dreimal Steak essen, und jemand anderes bezahlt, und man darf wochenlang endlos über sich selbst reden. Werden da nicht kühnste Träume wahr?
Es war eine vollkommen neue Welt für mich. Wenn Sie diese Kolumnen auswendig kennen, erinnern Sie sich bestimmt, daß unser Vater uns in meiner Kindheit immer in die billigsten Hotels verfrachtete – Absteigen, gegenüber denen das Motel der Bates in Psycho stilvoll und nobel war. In dieser Hinsicht machte ich also wohltuend neue Erfahrungen. Ich war bis dato noch nie in einem schicken Hotel gewesen, hatte noch nie etwas beim Zimmerservice bestellt, nie die Dienste eines Portiers oder Hausdieners in Anspruch genommen und noch nie einem Türsteher Trinkgeld gegeben. (Habe ich auch heute noch nicht, ehrlich gesagt.)
Der große Reinfall war der Zimmerservice. Ich bin in dem Glauben aufgewachsen, daß es der Gipfel an Kultiviertheit ist, beim Zimmerservice zu bestellen. Das taten die Leute in Cary-Grant-Filmen, aber doch nicht in der mir bekannten Welt. Als also ein
Werbemensch meinte, ich solle ruhig reichlich davon Gebrauch machen, befolgte ich seinen Rat begeistert. Und entdeckte etwas, das Sie bestimmt schon wissen: Den Zimmerservice kann man vergessen.
Ich habe mindestens ein dutzendmal in amerikanischen Hotels Mahlzeiten beim Zimmerservice bestellt, und sie waren immer miserabel. Es dauerte Stunden, bis das Essen kam, und dann war es durch die Bank kalt und zäh. Fasziniert war ich immer davon, wie aufwendig es serviert wurde – weißes Tischtuch, Vase mit Rose, demonstratives Abnehmen der silbernen Haube von jeder Platte – und wie wenig man sich darum kümmerte, daß es schmeckte
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