Streiflichter aus Amerika
brachte die Maschine in einer Weise runter, bei der ich unter anderen Umständen aufgekreischt hätte.
Mit einem hübschen, weichen Quietschen landeten wir. Ich war der glücklichste Mensch auf – dem Erdboden.
Meine Frau wartete draußen vor dem Flughafeneingang im Auto, und auf der Heimfahrt schilderte ich ihr die spannenden Momente in der Luft in epischer Breite. Leider ergibt es keine annähernd so gute Story, wenn man meint, man stirbt bei einem Absturz, als wenn man wirklich abstürzt.
»Mein armer Liebling«, sagte meine Frau beschwichtigend, aber ein wenig zerstreut, und tätschelte mir das Bein. »Na, in einer Minute bist du zu Hause, und im Ofen ist für dich ein leckeres Blumenkohl-Soufflé.«
Ich schaute sie an. »Blumenkohl-Soufflé? Was zum –« Ich räusperte mich und machte einen neuen Anlauf. »Und was genau ist Blumenkohl-Soufflé, Liebes? Ich dachte, es gäbe Steak.«
»Sollte es auch, aber Blumenkohl ist viel gesünder für dich. Maggie Higgins hat mir das Rezept gegeben.«
Ich seufzte. Maggie Higgins ist eine aufdringliche Geschaftlhuberin, deren strenge Ansichten über Ernährung bei uns zu Hause dauernd Gerichte wie Blumenkohl-Soufflé zur Folge haben. Sie wächst sich zum Fluch meines Lebens aus, zumindest meines Magens.
Aber es ist doch komisch, was? In einem Moment betet man, daß man leben darf, und schwört, alle Drangsal und Unbill ohne Murren zu erdulden, und im nächsten würde man am liebsten den Kopf ge
gen das Armaturenbrett schlagen und denkt: Ich wollte ein Steak, ich wollte ein Steak, ich wollte ein Steak!
»Ach übrigens, habe ich dir erzählt, daß Maggie neulich mit ihrem Färbemittel im Haar eingeschlafen ist?« fuhr meine Frau fort. »Jetzt ist es giftgrün.«
»Wirklich?« sagte ich und lebte ein wenig auf. Wenigstens eine gute Neuigkeit. »Giftgrün, hast du gesagt?«
»Na ja, alle haben sie damit getröstet, daß es eher zitronengelb ist, aber ehrlich, es sieht aus wie Kunststoffrasen.«
»Wahnsinn!« sagte ich – und das war es auch. Ich meine, daß zwei Gebete an einem Abend erhört wurden.
Der beste amerikanische Feiertag
Wenn ich heute ein wenig aufgedunsen und träge bin, dann, weil am Donnerstag Thanksgiving war und ich mich noch nicht recht erholt habe.
Thanksgiving liebe ich deshalb so sehr, weil es, von allem anderen abgesehen, der einzige Tag im Jahr war, an dem wir bei uns zu Hause aßen. An allen anderen Tagen steckten wir uns eigentlich nur Nahrung in den Mund. Meine Mutter war nämlich keine begnadete Köchin.
Mißverstehen Sie mich bitte nicht. Meine Mutter ist eine liebe, heitere, gütige Seele, und wenn sie stirbt, kommt sie direkt in den Himmel. Aber glauben Sie mir, keiner wird sagen: »Ach, Gott sei Dank, daß Sie da sind, Mrs. Bryson. Können Sie uns was Leckeres kochen?«
Der Gerechtigkeit halber muß ich betonen, daß meine Mutter in der Küche gleich mit mehreren Widrigkeiten zu kämpfen hatte. Zunächst einmal konnte sie nicht kochen – immer ein kleines Handicap, wenn man sich in den kulinarischen Künsten hervortun will. Nicht, daß Sie denken, sie hätte sonderlichen Wert darauf gelegt. Doch selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie es nicht gekonnt. Sie war nämlich berufstätig, was bedeutete, daß sie stets zwei Minuten, bevor es Zeit wurde, das Essen auf den Tisch zu bringen, ins Haus stürmte.
Darüber hinaus war sie immer ein bißchen geistesabwesend und neigte dazu, gleichfarbige Zutaten zu verwechseln wie Zucker und Salz, Pfeffer und Zimt, Essig und Ahornsirup, Stärkemehl und Gips – was ihren Gerichten häufig eine unerwartete Note verlieh. Eine besondere Spezialität war es, die Sachen zu kochen, wenn sie noch in der Packung waren. (Ich war schon beinahe erwachsen, als ich endlich begriff, daß Frischhaltefolie keine zähklebrige Glasur war.) Eine Mischung aus ewiger Hetze und bezaubernder Unfähigkeit, Haushaltsgeräte zu handhaben, führte zu dem Resultat, daß ihre Kochaktionen meist von Qualmwolken und manchmal sogar kleinen Explosionen begleitet waren. Bei uns zu Hause galt generell die Regel, daß es Zeit zu essen war, wenn die Feuerwehrleute abzogen.
Meinem Vater kam das seltsamerweise entgegen. Seine Essensvorlieben könnte man getrost als primitiv bezeichnen. Sein Gaumen reagierte eigentlich nur auf drei Geschmacksrichtungen – Salz, Ketchup und verbrannt. Seine Vorstellung von einem exzellenten Mahl bestand aus einem Teller, auf dem sich etwas braunes Nichtidentifizierbares, etwas grünes
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