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Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene

Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene

Titel: Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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und teuer und oft unfr e undli c h, vor all e m i n der Innenstadt. Ni e m a nd schien die Stadt zu lieben. Sogar reiche L e ute w a r f e n bedenkenlos ihren Müll auf die Straße. Und j edes m al , w e nn i c h an der P iazza del Du o m o vorbeik a m , k a men mir die Gebäude staub i ger und s c häb i ger vor.
    Woran liegt es nur, daß die S tädte, die die Menschen a us a ller Welt seh e n w oll e n, oft gerade die sind, deren Bürger a m w enigs t en dafür tun, daß sie a uch sch ö n a nzuseh e n sind? Warum k ö nn e n die Florent i ner ni c ht begre i f e n, daß es in i hr e m e i g e nen I nter e sse li e gt, ihre Straß e n v o m S c hmutz zu befreien, ein paar Bänke a ufzuste l len, dafür zu sorg e n, daß m a n ni c ht auf S c hritt und T ritt von Zigeune r n angebette l t w ird, und m ehr Z e it und Geld zu investier e n, um das Ersche i nungsbild i hrer Stadt auf z upolieren? Florenz besi t zt m e hr Kul t urdenk m ä ler als j ede andere Stadt der Welt: einun dz w a nz i g P aläste, fünfundfünfzig h i storische K irch e n, acht Galeri e n, z w a nz i g Muse e n - m e hr als g a nz S p anien, w ie i c h i n ein e m B e richt der UNESCO gel e sen habe, und dennoch sieht der Haushal t setat der Stadt ni c ht e inmal z w ö l f Mill i onen Ma r k i m Jahr für R e st a urierungsarbeiten vor. ( A ll e in i m A r chäologis c h e n M us e um w ar t en noch 10000 Kunsts c hätze darauf, von den Spuren befreit zu w erden, die die große Flut v o n 1966 hint e rlassen hat.) Es i st ke i n Wunder, w enn man i n Florenz den E i ndru c k g e w i nnt, daß den Bü r gern i hre Stadt zi e m li c h gleichgült i g ist.
    Wo es ni c ht die Glei c hgült i gkeit ist, die d e n historis c hen Bauten zum Verhängnis w ird, da sind es oft Ink o m pet e nz und Korruption. 1986 fiel e ndlich die längst übe r fä l lige E n t scheidung, die Kopfs t eine der P iazza della Sign o na zu r e s t aurieren. A l so grub m a n die ant i ken Steine aus und s c h a ffte sie i n die Werkstä t ten. A ls sie spä t er w ieder an Ort und S telle l a gen, sah e n sie a us w ie neu. U nd das w ar e n sie auch. Die Or i g i nale hatte m a n für t e ures Geld an reiche Leute verkauft, die die Auffahrt e n ihrer Häuser d a m i t ge p flastert h a b e n.
    Am me i st e n regten mich die Zigeuner a uf. An fast j eder Straße saßen sie und bettelten die P ass a nten an. U nd auf i hr e m S c hoß saßen Stunde um S tunde ihre drei oder vier Jahre alten, herz z erreißend schmutz i gen Kinder und soll t en Mitl e id erregen. Das i st un m e nschlich und so sk a ndalös, als w ürde m an die K i nder z w i ng e n, in Fabriken z u arbeit e n. U nd doch ging e n die Carab i m eri, d i e zu dritt oder viert in ihr e n flotten U nifo r m e n dur c h die Straßen s t olzierten, ach t los an ihn e n vorbei.
    Die einz i ge Z i geunerin, von der ich m i c h ni c ht belästigt füh l te, w ar kuriose r w e i se das kle i ne M ä dchen, das mir a n j en e m strahlend e n Sonntagmorg e n die Brieftasche kl a ute, als i c h Florenz gerade verlass e n w ol l te. Das Kind war eins a me Spitze. Ich hatte soeben m it Sack und P ack das Hotel verlassen und w ar auf d e m Weg zum Bahnhof, um nach Mail a nd w eiter z ureis e n. Kaum h a tte ich die Straße überquert, n ä herten sich mir drei Kinder mit e i n e m Stoß zerkni t terter Ze i tung e n v o m Vortag, die sie mir verk a uf e n w ollt e n. Ich w inkte ab, doch e i nes d er Kinder, ein ung e w a sch e nes, quasselndes Mädch e n von e t w a acht Jahren, fuhr mit e i n e r solchen Hartnäckigkeit fort, m ir e i ne Zei t ung a uf z udrängen, daß ich steh e nblieb und sie mit fest e r St i mme und erhoben e m Z e ig e finger e r m ahnte. Eing e schü c htert zog sie ab. Und ich g i ng me i ner Wege, mit d e m a ufrecht e n G a ng e i nes Mannes, der sich a uf der Straße zu behaupten w e iß. Nach fünf Metern w ußte i c h inst i nk t iv, daß m ir e t w a s f e hlte. Ich griff a n die Innentas c he m e i ner Jacke. Der Reißvers c h l uß w ar auf, die T a sche w ar leer. In den fünf S e kund e n, in denen i c h d e m Mädch e n die Grunds ä tze des gut e n Ben e hmens a uf der Straße näherzubring e n v e rsu c ht h a tte, ha t te sie e s geschafft, i n me i ne Jacke zu l a ng e n, d e n Reißversch l uß der T asche zu öffn e n, ihre Hand h i ne i nzuste c ken, z w e i Sche c kh e fte herauszuzi e hen und vers c h w i nden zu lassen. Ich w ar ni c ht w üt e nd. Ich w ar beeindru c kt.

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