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Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene

Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene

Titel: Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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dennoch g e sch a fft, die reichste Nation der Erde zu w erden. (Das Bruttosozialprodukt der Sch w eiz liegt pro Kopf um fast fünfund z w a nz i g P rozent höh e r als das Japans und mehr als doppelt so ho c h a l s das Großbritann i ens.) D a s L a nd hat m e hr Bank e n a ls Z a hnärzte. Nichts ist in der Sch w eiz so w i c ht i g w ie das Geld, und diese stille Leid e ns c haft hat ihre B e w o hner z u cleveren Opportunist e n g e m a c ht. Die S c h w eiz i st v o n Land ums c hloss e n, 500 Kil o m eter v o m H a uch e i nes Meeres en t fernt, und i st dennoch der größte Hersteller von S c h i ffs m a sch i n e n der Welt. Ihre T ugenden sind vie l fäl t ig: sie s i nd s a ube r , ordentlich, ges e tzestr e u und fleiß i g - so fleiß i g, daß sie in den siebziger Jahren i m Rahmen e in e s landes w eit e n R e feren d ums geg e n die Kürzung i hrer Wochenarbeitszeit gest i mmt h a ben.
    Und da haben w ir s c hon das g a nze P roble m . D ie S c h w e izer s i nd für c hterli c h l a n g w eil i g und hoffnungslos konserv a tiv. E i n Fr e und von mir, der 1968 m Genf l e bte, in einer Zeit, a l s überall i n Europa die Studenten a uf die Barrikaden g i ngen, erz ä hlte mir e i nmal, daß auch die G e nfer S t udenten e i nes T ages d e n Aufst a nd proben w o llten, daß sie ihre D e m o nstr a tion j edoch w ieder absagten, a l s sie von der P olizei nicht g e n e hmigt w u rde. Mein Freund s c h w ört, daß es tatsächlich so und nicht a nders w ar. U nbestritt e n ist j edenfalls, daß die Frauen in der Sch w eiz erst 1971 das allg e m e i ne Wah l recht erhielt e n, ein halbes Jahrhundert später als sonst irg e n d w o. I m Kanton A ppenzel l - I nnerrhoden w ar e n Frau e n noch bis 1990 von den Kantona l w ahl e n ausg e s c hlossen. Die Sch w e izer h a b e n ein e n un a ngen e hmen H a ng zu S elbstg e fäll i gkeit und rü c ks i chtsl o s e m Eigennutz. Sie hol e n si c h H undertt a us e nde v o n Gastarbeitern i ns L a nd (einer v o n fünf E i n w ohnern i st Ausländer), ve r w e i g e rn ihn e n aber die Staatsbürgers c h a ft, um sie in s c hle c ht e n Ze i ten w i eder nach Hause s c hi c ken zu k ö nn e n. So mußten 1973 w ä hrend d e r Ölkrise 300000 Mensch e n das Land verlass e n. Sie mußt e n ihre W ohnung e n aufgeben, ihre K inder von den Schul e n nehm e n und so lange auf den g e w ohnt e n K o mfort verzi c ht e n, bis w ieder bessere Ze i ten a nbrachen. Auf diese Weise steh e n den Sc h w eizern i n Ze i ten d e r Hochkon j unk t ur bill i ge A rbeitskräfte z ur Verfügung, o hne daß sie w ä hrend einer Wirts c haf t skrise die lästigen sozial e n Verpfl i chtungen w ie A rbeitslosenunters t üt z ung und Gesundh e itsfürsorge zu trag e n haben. Dies s i nd die Methoden, m it den e n sie die Infla t ion niedrig halt e n und sich i hren üpp i gen Lebensst a ndard sichern. Ich kann das verst e hen, aber b e w undern m u ß ich es w o hl nicht.
    Am z w eit e n T ag m a c hte ich einen l a ngen Spazierg a ng a m See. Ich schl e nderte a m grün e n, m e ns c henleer e n U fer en t lang, vorbei a m halb verfall e n e n Gebäude des Völkerbund e s, w o ein p a ar Jungs vergebli c h versu c ht e n, die Fensters c he i ben m i t Ste i n e n einzu w erf e n, w a nderte durch d e n friedl i chen Botanis c hen Garten und st a nd schließli c h vor den T oren d es ries i g e n P alais des N a tions (laut P rospekt ist e s größer als V ersailles), i n d e m h e ute die Vereint e n Nationen unte r gebracht s i nd. Ich überlegte, ob ich a n e i ner der kostspielig e n F üh r ung e n teiln e hmen sollte, konnte mich aber n i cht dazu ents c hließ e n.
    Statt dessen besuchte i c h das Musee Inte r national de la Cro i x-Rouge, das Mus e um des Inte r nation al en Rot e n Kreuzes, das si c h, wie ich a uf me i n e m Stadtplan sah, g a nz i n der Nähe bef a nd, und das mir w eit a us interessanter z u se i n schi e n. Und e s w ar w irk l ich e ine nette Überraschung, falls diese Be z eichnung ni c ht e t w as un a ng e bracht ist für e i n M useum, das si c h d e m menschlich e n Leiden in a l l seiner erstaunli c h e n Vie l falt vers c hr i eben hat. I c h w i l l nur s a gen, die Ausstel l ung w ar w o hl d urchd a cht, und m a n verst a nd si c h bestens auf die mult i mediale P räsentati o n - so n e nnt man das j a wohl. Das Anli e gen der Org a nis a tion w urde i m al l g e me i nen recht ein d rucksvoll ve r m i ttelt, w enn man bedenkt, daß alles in

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