Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene
a m e ns Morg e n. I c h konnte mir ni c ht vorstell e n, daß die g e w iss e nhaften Zei c hner von Kümm e r l y und Fr e y in i hr e m e i g e nen L a nd einen so gravier e nden F e hler g e m a c ht haben sollt e n. Ebenso unvo r stellbar w ar es j edoch, daß die konservat i v e n Bürger in di e ser Ecke der Sch w eiz i m L a ufe der vergangen e n a c htz e hn Jahre e ine i hrer Städte umben a nnt haben könnten. Ich b e schloß, mich überrasch e n z u lass e n, und w i d mete me i ne Aufmerks a mkeit der Lan d karte. Ich breitete sie i n i hrer g a nzen zerkni t terten P racht a uf me i n e n K ni e n aus, z um unverh o hlen e n Ä r ger der alten D a me neb e n mir, die sich kerzengerade aufri c htete und Laute der E m pörung von sich gab, sobald ein Zi p fel P apier in ih r e Rich t ung w ippte.
L a ndkarten üb e n eine sel t s a me Fasz i nation a uf mi c h aus. Ich k ö nnte sie stundenlang betracht e n, um die N a m e n von Städt e n und Dörfern zu s t udieren, von den e n ich nie gehört habe und die ich ni e ma l s seh e n w erde, um d e m Lauf unbek a nnter F lüsse z u fo l g e n, um unter den Zei c hene r klärung e n na c hzul e s e n, w as e i ne Fahne i n e i n e m kle i nen Kreis bedeutet (eine Burg oder ein Schloß), oder w orin der Unters c hied z w i sch e n e i n e m Flugzeug m i t und o hne Kre i s best e ht (das eine ist e in Flughaf e n, d a s andere ein F l ugplatz), und dabei leise » H mmmm s « von mir zu ge b en und ernst mit d e m Kopf z u ni c k e n, ohne zu w issen, w arum.
Erst j etzt fiel m ir auf, daß ich über eine südlichere und lan d schaftli c h best i mmt w es e ntli c h reizvol l ere Strecke v o n Brig na c h G enf hätte fahr e n können, n ä mli c h über A osta, d e n Mont Bl a nc und Ch a m o n i x. Da w ar ich s o w eit g e k o mm e n und l ieß m ir die Geleg e nheit e ntg e h e n, A osta und den Mont Bl a nc zu s e hen? Ich verzi c htete fre i w ill i g darauf, m i t ten durch die A l pen zu fahr e n? Was bin i c h für ein Dummkopf! » H mmmm « , s a gte i c h, ni c kte ernst mit d e m Kopf und faltete die Karte zus a mm e n.
Wir folgt e n ein e m sei c ht e n F luß dur c h e i ne L a nds c h a ft a us kle i nen Gehöft e n und steil e n, b e w a l deten Berghäng e n und hielt e n i mmer w ieder i n abgel e g e nen Dö r f e rn, um e i ne H a ndvoll P ass a giere mit leeren E i nk a ufskörben a uf z uneh m e n. War der Zug voll, w ürden w ir ein ges c häftig e s Mark t städtchen, mit N a men w ie L a ngn a u oder Zug erreichen, w o a lle F a h r gäste auf den Bahnste i g str ö m e n und mich allein z urücklass e n w ürden. U nd dann w ürde si c h der Zug all m ä hlich von n e u e m fü l len. Das w ar nicht die schle c ht e ste A rt, d e n T ag z u verbring e n.
Ich s t ieg i n Sa r g a ns a us, kurz vor Lie c ht e nste i n. Der Zug fuhr z w ar durch Lie c htenste i n, allerdings o hne dort z u h al ten, w as g a nz der national e n Vorliebe fürs Lä c herliche en t spricht. Wer nach Vaduz, in die w i nzige H a uptstadt Lie c htenst e ins, f a hren w i l l, muß in Sargans oder Buchs von der Bahn i n e i nen gelben P ostbus umst e ig e n.
Ein solcher Bus w artete bereits a m Bahnhof. Ich löste e i nen Fah r sche i n, n a hm a l s ein z iger nicht m it E i nkaufstüten beladener Fahrg a st mitt e n i m Bus P latz und mußte m i c h ordentli c h reck e n, um e t w as von d e m kl e in e n L a nd seh e n zu könn e n. Z w i s c hen Sa r gans und Vaduz li e gen nur gut z e hn Ki l o m e ter, und denno c h dauerte die Fahrt ung e fähr e i ne Stunde, denn der Bus fuhr kreuz und qu e r durchs L a nd, bog in j ede Seitenstraße und näherte sich Va d uz in ein e m großen Bogen über kleine L a ndstraßen, als w ollte er sich he i mli c h in die Stadt schlei c hen. Bis ich das Ortsschild v o n Vaduz erblickte, w ußte ich ni c ht e i nmal, ob w ir schon i n Lie c ht e nstein oder noch i n der Sch w e iz w aren.
A ll e s a n Liecht e nstein i st l ä cherlich. Erst e inmal ist es l ächerlich kle i n. S o gar die S c h w eiz, bekanntli c h selbst e i n lä c herli c h kle i nes L a nd, ist 250 m al größer. In Liechtenste i n gibt es z w ei politische P arteien, die im Vo l ksmund als die Roten und die Sch w arzen bekannt s i nd. Ihre ideologis c hen U nters c hiede s i nd so min i m al, daß sie sich e i n und dense l ben Leitspruch a uf die Fahn e n g e schrieben haben: » Ve r traue a uf Gott, den F ürst e n und das Vaterl a n d « . Der
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