Streitfaelle außergerichtlich loesen
einen Kompromissvorschlag unterbreiten, der eine sach- und interessengerechte Lösung des Problems herbeiführt. Er fällt aber keine für beide Parteien verbindliche Entscheidung, wie dies beispielsweise ein Richter im Rahmen eines Gerichtsverfahrens tun würde. Vielmehr müssen die Parteien selbst den Vorschlag des Schlichters als gerecht empfinden und deshalb akzeptieren.
Im Rahmen des heutzutage üblichen Gerichtsverfahrens, an dessen Ende eine Entscheidung des Gerichts und nicht der Parteien steht, suchen die Parteien grundsätzlich nicht die einvernehmliche Lösung des zwischen ihnen bestehenden Problems, sondern versuchen ihre individuellen Ansprüche möglichst vollständig und ohne Einschränkung gegenüber der anderen Partei durchzusetzen. Der Ausgangspunkt der Lösung des bestehenden Problems ist daher ein völlig anderer als bei der Streitschlichtung.
Unterschiede zwischen Mediation und Streitschlichtung
Der Ausgangspunkt in der Streitschlichtung unterscheidet sich jedoch auch von demjenigen, den die Parteien bei der Mediation zugrunde legen. Im vorangehenden Kapitel wurde dargestellt, dass die Mediation eine Form der Vermittlung zwischen den Parteien ist, bei der unterschiedliche Positionen und Ansichten durch einen Dritten so zueinandergeführt werden, dass eine Einigung zwischen den Parteien möglich ist. Im Gegensatz zur Streitschlichtung wird von dem Dritten bei der Mediation kein Lösungsvorschlag unterbreitet. Die Lösung muss von den beteiligten Konfliktparteien vielmehr selbst im Rahmen des Mediationsprozesses erarbeitet werden.
Die wesentlichen Unterschiede zwischen der Mediation und dem Schlichtungsverfahren sind:
Mediation
Streitschlichtung
Konfliktlösung durch verbesserte Kommunikation
Konfliktlösung durch gegenseitiges Nachgeben
Eigenverantwortung
Abgabe der Verantwortung an den Schlichter
Eigenkontrolle
Kontrolle über Verlauf und Abwicklung durch den Schlichter
Aktives, eigenverantwortliches Erarbeiten einer gemeinsamen, interessengerechten Lösung, persönliches Gerechtigkeitsempfinden entscheidend
Rechtsorientiert
Win-win-Lösung
Gegenseitiges Nachgeben
Offener Dialog
Persönliche Positionierung
Unter Umständen Lösung eines tiefer liegenden Problems
Lösung des akuten Problems
Zukunftsorientiert
Vergangenheitsorientiert
Entwicklung der Streitschlichtung
Die Streitschlichtung konnte sich in der Vergangenheit, quasi als Urform der Streitlösung bis in die griechische Antike, besonders gut etablieren, weil es noch keine verfestigten, umfangreichen Rechtssysteme gab. Der Dritte konnte sich bei der Lösung des zwischen den Parteien bestehenden Streits auf sein menschliches Rechtsgefühl und die bisherige Handhabung solcher Fälle in der Vergangenheit beschränken. Sein Ziel war es nicht – im Gegensatz zu den heutigen Rechtssystemen –, dem Individuum zu seinem „Recht“ zu verhelfen. Er wollte und sollte hingegen eine freiwillige Entscheidung der Parteien zur Lösung des Problems fördern.
Ab der Zeit des Römischen Reichs geriet die Streitschlichtung aufgrund der fortschreitenden Kodifizierung und Ausarbeitung der Rechtssysteme langsam in Vergessenheit, weil die Frage in den Vordergrund rückte: Wer hat Recht und wer hat Unrecht?
Erst seit dem 20. Jahrhundert findet sich wieder eine Tendenz zur Streitschlichtung und der „neuen“ Mediation.
Vorschub leistete dabei insbesondere das 1979 von Roger Fisher ins Leben gerufene Harvard Negotiation Project . Ziel des Projekts war, Methoden zu entwickeln, wie man unterschiedliche und verfahrene (Rechts-)Positionen durch Verhandlungen überwinden kann. Dabei trennt das Projekt Sach- und Beziehungsebene voneinander, um Interessen auszugleichen und Entscheidungsalternativen unter Verwendung neutraler Beurteilungskriterien zu suchen, um so einen Gewinn für alle Beteiligten zu schaffen (sog. Win-win-Situation). Diese Verhandlungsmethode basiert im Wesentlichen auf vier Grundlagenbedingungen:
1.
Die Probleme müssen getrennt von den Beteiligten des Streits betrachtet werden.
2.
Überwindung des Positionsdenkens der Parteien. Es soll nach den Interessen der Parteien und nicht nach deren (Rechts-)Position gefragt werden.
3.
Es sollen Lösungsansätze für das bestehende Problem gefunden und bevorzugt werden, die für alle Beteiligten Vorteile bieten.
4.
Es müssen neutrale Beurteilungskriterien zur fairen Ergebnisbewertung gefunden werden.
Obwohl diese Verhandlungsmaximen in der sehr langen Geschichte der Streitschlichtung nicht
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