Streng vertraulich
Sie helfen einem von Zeit zu Zeit und umgekehrt, so knüpft man Kontakte und hält das Geschäft am Laufen. Doch Feindseligkeit bekommt mir nicht besonders gut, besonders wenn meine Klamotten mit dem Blut eines anderen Menschen getränkt sind und ich seit vierundzwanzig Stunden nicht gegessen oder geschlafen habe. Ferry stand neben mir im Vernehmungszimmer, den Fuß auf einen Stuhl gestützt, und sagte mir, was mit meiner Lizenz passieren würde, wenn ich ihm nicht bald »den Ball zuspielte«.
Ich fragte: »Den Ball zuspielen? Steht hier irgendwo ein Handbuch für Polizeiklischees rum oder so? Sagt jetzt gleich einer von euch: ›Hol schon mal den Wagen, Harry‹?«
Zum dreißigsten Mal an diesem Vormittag schnaufte Ferry verächtlich und fragte: »Was hatten Sie mit Jenna Angeline zu tun?«
Zum fünfzigsten Mal an diesem Vormittag antwortete ich: »Kein Kommentar«, und als ich mich umsah, trat Cheswick Hartman ins Zimmer.
Cheswick ist ein Traumanwalt. Er sieht umwerfend gut aus, hat volles braunes Haar, das glatt nach hinten gekämmt ist. Er trägt achtzehnhundert Dollar teure, maßgeschneiderte Anzüge von Louis of Boston, und selten sieht man ihn denselben zweimal tragen. Er hat eine tiefe, weiche Stimme, die einem zwölf Jahre alten Maltwhisky ähnelt, und bekommt immer diesen verärgerten Gesichtsausdruck, kurz bevor er seinen Gegner unter einem Schwall tadellos ausgesprochener lateinischer Ausdrücke begräbt. Obendrein besitzt er einen erstklassigen Ruf.
Unter normalen Umständen hätte ich im Lotto gewinnen müssen, um mir auch nur Cheswicks Vorschuß leisten zu können, doch als ihm in der Kanzlei, in der er arbeitete, vor ein paar Jahren ein Assoziationsvertrag angeboten werden sollte, hatte seine Schwester Elise, eine Yale-Studentin, Probleme mit Kokain. Cheswick verwaltete ihr Treuhandvermögen, doch als sich Elises Abhängigkeit zu acht Tagesrationen ausgewachsen hatte, hatte sich ihr jährlicher Unterhalt beträchtlich dezimiert, wobei sie einigen Männern in Connecticut immer noch ein paar tausend Dollar schuldete. Anstatt es Cheswick zu erzählen und seine Enttäuschung in Kauf zu nehmen, traf sie eine Vereinbarung mit den Männern in Connecticut, zu der auch die Aufnahme einiger Fotos gehörte.
Eines Tages bekam Cheswick einen Anruf. Der Anrufer beschrieb die Fotos und versprach, sie würden am nächsten Montag auf dem Schreibtisch des Kanzlei-Inhabers liegen, wenn Cheswick bis Ende der Woche nicht eine fünfstellige Summe rüberwachsen lasse. Cheswick war fuchsteufelswild. Es war nicht das Geld, das ihn ärgerte - er verfügte über ein enormes Familienvermögen -, sondern die Tatsache, daß die Abhängigkeit seiner Schwester und seine Liebe zu ihr ausgenutzt wurden. Er machte sich solche Sorgen um Elise, daß ich bei unserem ersten Gespräch nicht eine Sekunde lang das Gefühl hatte, er sei wegen der Gefährdung seines Jobs empört, und das beeindruckte mich.
Cheswick hatte meinen Namen von einem Typen bekommen, den er von der Rechtsberatung kannte, und er gab mir das Geld zur Übergabe mit der ausdrücklichen Forderung, daß ich alle Fotos und Negative zurückbringen sollte plus einer unwiderruflichen Zusicherung, daß die Angelegenheit damit beendet sei. Elises Schulden, sollte ich diesen Typen ausrichten, würden vollständig beglichen.
Ich weiß nicht mehr warum, aber ich nahm Bubba mit auf die Tour runter nach Connecticut. Nachdem ich herausgefunden hatte, daß die Erpresser nichts weiter als ein chaotischer Haufen waren ohne Beziehungen, ohne Mumm in den Knochen und ohne jeden Draht zu irgendwelchen Politikern, trafen wir zwei von ihnen in einem Hochhaus in Hartford. Bubba hielt einen der beiden an den Füßen aus einem Fenster im elften Stock, während ich mit seinem Kollegen verhandelte. Als sich Bubbas Opfer vollständig entleert hatte, pflichtete sein Kollege mir bei, daß ein Dollar, aber ja, ein wirklich fairer Preis für das Ganze sei. Ich zahlte ihn in Pennies aus.
Cheswick zeigt mir seine Dankbarkeit, indem er mich seitdem gratis vertritt.
Er hob die Augenbrauen, als er das Blut auf meinen Klamotten erblickte. Ganz ruhig sagte er: »Ich möchte mit meinem Klienten gerne kurz unter vier Augen sprechen.«
Ferry verschränkte die Arme und beugte sich mir entgegen. »Ja, und?« fragte er.
Cheswick riß Ferry den Stuhl unter den Füßen weg. »Also verlassen Sie jetzt auf der Stelle diesen Raum, Detective, sonst bombardiere ich diese Abteilung mit so vielen Vorladungen wegen
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