Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
meinen Hals.
Es herrschte absolute Stille in der Küche, ich glaube, keiner von uns atmete. Wir standen mit geschlossenen Augen da und warteten darauf, daß uns die Angst verließ.
Tat sie nicht.
Angie löste sich von mir und fing an: »Schluß jetzt damit. Laß uns arbeiten. Wir haben immer noch einen Auftrag, oder?«
Ich ließ ihre Arme los und antwortete: »Ja, wir haben immer noch einen Auftrag. Ich ziehe mich eben an, dann können wir loslegen.«
Ein paar Minuten später kam ich in einem riesigen roten Sweatshirt und einer Jeans wieder herein.
Angie stand an der Küchentheke und drehte sich um, in der Hand hielt sie einen Teller mit einem Sandwich. »Ich denke, bei Aufschnitt bin ich auf der sicheren Seite.«
»Hast aber nicht versucht, ihn zu braten oder so, hm?«
Sie warf mir wieder diesen Blick zu.
Ich verstand und nahm das Sandwich. Sie saß mir gegenüber am Tisch, während ich aß. Schinken und Käse. Ein bißchen schwer mit dem Senf, aber sonst in Ordnung. Ich fragte: »Wer hat angerufen?«
»Sterling Mulkerns Büro. Dreimal. Jim Vurnans Büro. Richie Colgan. Zweimal. Zwölf oder dreizehn Journalisten. Und Bubba hat angerufen.«
»Was hat er gesagt?«
»Willst du das ehrlich wissen?«
Das will man bei Bubba normalerweise nicht, aber ich war unkonzentriert und nickte.
»Er sagte, du sollst ihm das nächste Mal Bescheid sagen, wenn du auf Waschbärenjagd gehst.«
Typisch Bubba. Mit ihm auf seiner Seite hätte Hitler den Krieg vielleicht gewonnen. Ich fragte: »Wer noch?«
»Keiner. Aber die Sekretärin von Mulkern klang beim dritten Versuch ganz schön sauer.«
Ich nickte und kaute.
Angie fragte: »Sagst du mir, was hier los ist, oder willst du weiter den Dorftrottel spielen?«
Ich zuckte mit den Achseln, kaute noch ein bißchen, da nahm sie mir das Sandwich weg. »Ich glaube, ich wurde bestraft«, bemerkte ich.
»Dir wird noch ganz was anderes passieren, wenn du jetzt nicht den Mund aufmachst.«
»Oooh. Knallharte Frau. Mach mich fertig!« Ich hechelte.
Sie sah mich an.
»Gut«, lenkte ich ein, »aber dazu brauchen wir Alkohol.«
Ich goß uns zwei Scotch pur ein. Angie nahm einen Schluck von ihrem und schüttete ihn, ohne ein Wort zu sagen, in den Ausguß. Dann holte sie sich ein Bier aus dem Kühlschrank, setzte sich wieder hin und hob eine Augenbraue.
Ich fing an: »Wir stecken vielleicht schon bis zum Hals in dieser Sache. Ach was, bis über den Kopf.«
»Das habe ich mir gedacht. Warum?«
»Jenna hat mir gar keine Unterlagen gezeigt. Das war Quatsch.«
»Was du dir auch schon halb gedacht hattest.«
»Stimmt«, pflichtete ich ihr bei, »aber ich hielt es auch nicht für vollkommen abwegig. Ich weiß nicht, was ich erwartete, aber das hier ganz bestimmt nicht.« Ich reichte ihr die Aufnahme von Paulson in Unterhose.
Sie hob die Augenbrauen. »Gut«, sagte sie langsam, »aber was soll das? Das Bild ist gut sechs oder acht Jahre alt, und es ist nur ein halbnackter Paulson drauf. Es ist zwar nicht appetitlich, aber auch nichts Besonderes. Dafür tötet man doch nicht.«
»Vielleicht«, gab ich zu bedenken. »Guck dir aber mal den Typen neben Paulson an. Sieht nicht gerade so aus, als verkehrte er in denselben Kreisen.«
Sie betrachtete den Mann. Er war dünn und trug ein Shirt mit rundem Halsausschnitt und eine weiße Hose. Um die Arme und den Hals hingen Massen von Gold, und sein Haar wirkte verfilzt und frisch gefönt zugleich. Sein Blick war vorwurfsvoll und mürrisch, der Blick eines unheilbar bösen Menschen. Er mochte ungefähr fünfunddreißig sein.
»Ja, stimmt«, bestätigte sie. »Kennen wir ihn?«
Ich schüttelte den Kopf. »Könnte Socia sein. Könnte Roland sein. Oder keiner von beiden. Er sieht jedenfalls nicht wie ein Staatsdiener aus.«
»Eher wie ein Zuhälter.«
»Und das da…« Ich zeigte auf die billige Kommode und den Spiegel auf dem Foto. Im Spiegel war ein ungemachtes Bett zu erkennen. Dahinter der Ausschnitt einer Tür, an der zwei quadratische Zettel aufgehängt waren. Ich konnte nicht erkennen, was drauf stand, aber der eine sah aus wie die Geschäftsbedingungen eines Motels, und der kleinere darunter wie ein Merkzettel für die An- und Abreisezeit. Ein »Bitte nicht stören«-Schild hing am Türknauf. »Das sieht aus wie ein…«
»Motel«, ergänzte sie.
»Seeehr gut«, lobte ich. »Du solltest Detektiv werden.«
»Und du solltest aufhören, Detektiv zu spielen«, gab sie zurück und warf das Foto auf den Tisch. »Also, was bedeutet das alles, Sherlock?«
»Sag’s mir,

Weitere Kostenlose Bücher