Stresstest Deutschland
sich von der künstlichen Beatmung durch die »Retter« wird befreien können. So lange wird Irland auch jede Vorgabe aus Brüssel, Frankfurt und Washington eins zu eins umsetzen müssen.
Auch die spanische Krise ist ein Produkt der Finanz- und Wirtschaftskrise. Spanien konnte seine Staatsschuldenquote seit der Einführung des Euro von fast fünfzig Prozent auf dreißig Prozent im Jahre 2007 reduzieren. Am Vorabend der Krise konnte Spanien bei nahezu allen finanzpolitischen Kennzahlen bessereWerte vorweisen als Deutschland, Frankreich oder Großbritannien – das Wirtschaftswachstum und der Haushaltsüberschuss waren höher, die Staatsverschuldung war niedriger. Die Finanzund Wirtschaftskrise traf Spanien jedoch hart. Der Staatshaushalt lief infolge der Krise durch die rasant gestiegene Arbeitslosigkeit und die Kosten der Bankenrettungen aus dem Ruder. In den Jahren 2008 bis 2010 stieg die Staatsschuldenquote um 21,7 Prozentpunkte auf 51,7 Prozent.
Es gibt keine rationale, ökonomisch fundierte Erklärung dafür, warum ausgerechnet Spanien nicht mehr das Vertrauen der Finanzmärkte genießt. Es steht in allen Disziplinen besser da als Großbritannien und muss dennoch – anders als die Briten – für seine Staatsanleihen einen signifikant höheren Risikoaufschlag bezahlen. Für dieses Paradoxon hat der Ökonom Paul De Grauwe von der Universität Leuven eine überzeugende Erklärung. 14 Da die Eurostaaten auf ihre Verschuldung nicht mit einer souveränen Finanz- und Notenbankpolitik reagieren können, sind sie auf Gedeih und Verderb dem guten Willen des Euroäischen Rats in Brüssel und der EZB ausgeliefert. Wenn die Europäischen Regierungschefs sich weigern, einen verlässlichen »Rettungsmechanismus« zu verabschieden, der eine kollektive Haftung für die Schulden eines Mitgliedsstaats übernimmt, besteht immer die Möglichkeit eines realen Zahlungsausfalls, wenn ein einzelnes Land Opfer der Spekulation wird.
Das Krisenmanagement der Eurozone hat sich diese Option stets offengehalten – vor allem Angela Merkel und Wolfgang Schäuble schafften und schaffen es nicht, an einem Mikrophon vorbeizugehen, ohne den unkritischen Medien zu vermelden, dass die Option einer Umschuldung zwar nicht angestrebt, aber keinesfalls auszuschließen ist. Daher verwundert es gar nicht, wenn die Spekulanten einen Risikoaufschlag verlangen und ihn auch bekommen.
Das »Schuldenproblem« Spaniens ist somit eine sich selbsterfüllende Prophezeiung. Da die Spekulanten dem Land ein Schuldenproblem andichten, steigen die Risikoaufschläge für die Staatsanleihen, und plötzlich hat das Land ein sehr reales Schuldenproblem.Aus Angst vor einer Zahlungsunfähigkeit verlangen die Spekulanten immer höhere Zinsen, und als Folge der höheren Zinsen geraten die Staaten weiter in eine Abwärtsspirale durch die von der Troika diktierten Sparprogramme, die die fiskalische Lage abermals verschlechtern und die Zinsen wiederum in die Höhe treiben. Nur die beherzten Interventionen der EZB konnten bislang verhindern, dass die Zinsen für spanische Anleihen ein Niveau erreichen, bei dem das Land sich nicht mehr selbstständig refinanzieren kann. Schon heute muss Spanien, dessen Staatsschuldenquote nur unwesentlich über der deutschen liegt – gemessen am Bruttoinlandsprodukt –, mehr als doppelt so viel Geld für den Zinsdienst aufbringen. Nicht nur das, auch im Vergleich zum fast viermal so hoch verschuldeten Japan muss Spanien relativ mehr Geld für den Zinsdienst aufwenden.
Im Unterschied zu Irland und Spanien war Italien bereits vor dem Beginn der Finanzkrise relativ hoch verschuldet. Der finanzpolitische Schlendrian, den deutsche Medien den Südländern gern unterstellen, ist jedoch eine Legende. Italien meldete zwar seit Einführung des Euro jedes Jahr ein Haushaltsdefizit – da die Wirtschaft des Landes jedoch schneller als die Schulden wuchs, baute Italien seine Staatsschuldenquote de facto zwischen 1995 und 2007 um 17,9 Prozentpunkte auf eine Staatsschuldenquote von 95,6 (gemessen am BIP ) ab. Dank relativ niedriger Zinsen war dies aber nie ein echtes Problem für das Land. Erst die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 haben Italien ins Wanken gebracht. Es gibt jedoch keinen überzeugenden Grund, das Land in die Gruppe der potentiellen »Bankrottkandidaten« einzureihen. Mit einem Anwachsen der Staatsschuldenquote um 2,2 Prozent nahm Italien 2010 einen der Bestwerte innerhalb der Gruppe der OECD -Staaten ein.
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