Striptease: Roman (German Edition)
Washington?«
»In Washington. Eine der Sekretärinnen nahm die Nachricht entgegen.« Während er redete, schob Erb Crandall die Pastille im Mund hin und her. »Es war eine Frau.«
»Wie schockierend.«
»Sie sagte, sie sei eine Freundin von Jerry Killian.«
»Sie verscheißern mich.« Moldys Mund klaffte auf. »Erb, ich hoffe, das ist ein Scherz.«
»Lache ich etwa?«
»Was sonst noch?« bellte Moldowsky. »Was hat sie sonst noch gesagt?«
»Das war’s schon, Malcolm. Sie hatte weder einen Namen noch eine Nummer hinterlassen. Sie war laut der Sekretärin sehr höflich und sagte, sie würde später noch mal anrufen, wenn der Congressman erreichbar sei.«
Moldowsky fuhr sich fahrig mit den Fingern durchs Haar – daran erkannte Crandall, wie beunruhigt er war. Eine makellos gepflegte Erscheinung war nämlich eines von Moldys Markenzeichen.
»Haben Sie Davey informiert?« fragte er.
»Natürlich nicht.«
»Welche Sekretärin hat den Anruf entgegengenommen?«
»Die ältere – Beth Ann. Keine Sorge. Sie weiß nichts. Der Name Killian hat für sie überhaupt keine Bedeutung.« Crandall zerkaute geräuschvoll das Hustenbonbon und spülte es mit Cognac hinunter. »Malcolm, jetzt ist es wohl an der Zeit, daß Sie mich ins Bild setzen.«
»Seien Sie froh, daß ich es noch nicht getan habe.«
»Aber Sie sagten, die Angelegenheit sei erledigt.«
Moldowsky schaute aufs Meer hinaus. »Das dachte ich auch.«
Als sein Piepser sich meldete, saß Sergeant Al García auf einer Gefriertruhe, kaute Kaugummi und füllte amtliche Formulare aus. In der Gefriertruhe befanden sich Ira und Stephanie Fishman, Alter einundachtzig und siebenundsiebzig, zusammengefaltet wie Verandamöbel. Sie waren innerhalb von zwei Tagen im Monat Juli des ersten vollständigen Jahres der Präsidentschaft Gerald Fords verstorben. Tochter Audrey, ihr einziges Kind, hatte die toten Fishmans in eine Industriegefriertruhe von Sears gepackt, die sie eigens zu diesem Zweck angeschafft hatte. Zusammen hatten Ira und Stephanie Fishman etwa siebzehnhundert Dollar an Sozialhilfe erhalten. Da ständig arbeitslos und ohne Aussicht auf einen Job, verspürte Audrey keinen übermäßigen Drang, die Behörden oder sonst jemanden davon zu informieren, daß ihre Eltern gestorben waren. Freunde nahmen an, das Paar sei das heiße Wetter leid geworden und nach Long Island zurückgekehrt. Niemand außer Audrey wußte, daß Ira und Stephanie perfekt erhalten unter drei Dutzend Fertigmenüs, vorwiegend Salisbury-Steaks, lagen. Die Schecks der Sozialhilfe kamen weiterhin an, und in all den Jahren hatte Audrey sie stets eingelöst.
Ihr Geheimnis war bis zu diesem Tag nicht gelüftet worden. Sie war schon früh aufgestanden und wie üblich mit dem Bus der Kirchengemeinde zum Bingo ins Seminolen-Reservat gefahren. Gegen Mittag hatte ein junger Bandit namens Johnnie Wilkinson ein Schlafzimmerfenster zertrümmert und war auf der Suche nach Bargeld, Handfeuerwaffen, Kreditkarten und Stereogerät in die Wohnung der Fishmans eingedrungen. Neugier (oder vielleicht auch Hunger) hatten Johnnie Wilkinson die große Gefriertruhe öffnen lassen, und seine nachfolgenden Schreie waren von einem vorbeifahrenden Briefträger gehört worden. Als Audrey zurückkehrte, wimmelte es in dem kleinen Haus von Cops. Sie wurde sofort in Gewahrsam genommen, aber die Detectives wußten nicht genau, wessen sie sie beschuldigen sollten.
Tage würden verstreichen, ehe die Fishmans für eine ordnungsgemäße Autopsie ausreichend aufgetaut sein würden, obgleich es García so vorkam, als seien sie eines natürlichen Todes gestorben. In Florida gab es kein spezielles Gesetz gegen das Einfrieren toter Familienangehöriger, aber Audrey hatte sich verschiedener kleinerer Vergehen schuldig gemacht. Zum Beispiel indem sie den Tod ihrer Eltern nicht gemeldet und die Leichen in einer Wohngegend aufbewahrt hatte. Was den Trick mit der Sozialhilfe betraf, so war dies ein Bundesvergehen. Al García war dafür nicht zuständig und interessierte sich auch nicht dafür. Er war ziemlich froh, als sein Piepser losging.
Erin traf ihn in einem Café auf dem Biscayne Boulevard. Sie suchten sich die Nische, die vom Gefrierschrank mit den Eistorten am weitesten entfernt war. Als García Anstalten machte, eine Zigarre anzuzünden, riß Erin sie ihm aus dem Mund und tunkte sie in eine Tasse Kaffee.
»Völlig unnötig«, meckerte der Detective.
»Holen Sie Ihr Notizbuch raus«, sagte sie.
Al García lächelte. »Die
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