Striptease: Roman (German Edition)
käme ihr ziemlich harmlos vor. »Es kann doch nicht schaden, ihm zuzuhören. Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich alles versuchen würde.«
Monique Jr. sagte: »Eins kann ich dir flüstern. Dieser kleine Geizhals muß erst einmal lernen, wie man richtige Trinkgelder gibt.«
Shad steckte den Kopf durch die Türöffnung. Er hustete. »Personalversammlung«, verkündete er dann. »In fünf Minuten, im Büro.«
»Verpiß dich«, schnauzte Urbana Sprawl, die so gut wie nackt war. Aber Shad hatte es nicht bemerkt. Elf Jahre Arbeit in Stripschuppen hatten ihn gegen den Anblick von nackten Brüsten abgestumpft. Eine Berufskrankheit, dachte Shad bei sich. Ein weiterer Grund, schnellstens auszusteigen, ehe es zu spät war.
Erin winkte ihm. »Bestell Mr. Orly, wir kommen gleich.«
Shad verschwand, ohne die Tür zu schließen. Für Erin glich er einer Schildkröte – sein massiger runder Kopf war feucht und unbehaart, seine Nase hatte die Form eines Adlerschnabels und deutete auf die dünne, scharfe Linie seiner Lippen und bildete so einen tödlich aussehenden Überbiß. Soweit Erin es erkennen konnte, besaß Shad auch keine Augenbrauen und keine Wimpern.
»Widerling«, sagte Monique Jr.
»Er ist nicht so übel.« Erin schlüpfte in einen blauen Frotteebademantel und Sandaletten. Sie erzählte den anderen Tänzerinnen von Shads Plan mit der toten Kakerlake.
»Joghurt!« rief Monique Jr. aus. »Mein Gott, das ist ja ekelhaft.«
Urbana Sprawl sagte: »Hoffentlich klappt es. Hoffentlich bekommt er eine Million Bucks und zieht nach Tahiti.«
Träum ruhig weiter, dachte Erin. Shad würde nirgendwohin gehen, wenn Mr. Orly es ihm nicht ausdrücklich befahl.
Orlys Büro war mit rotem Samtimitat tapeziert. Er haßte das Zeug genauso wie jeder andere. Die bunte Einrichtung stammte vom vorherigen Besitzer des Clubs, bevor er erschossen und im Mittelstreifen der Interstate 95 verscharrt wurde. Orly behauptete, das Verbrechen habe nichts mit der Vorliebe des Mannes für Samtimitat zu tun gehabt, sondern eher mit seiner Unfähigkeit, anständige Profite auf anständige Art und Weise abzurechnen. Mit anderen Worten, er hatte betrogen. Die Tapete aus Samtimitat blieb an Orlys Wänden hängen, um Angestellte daran zu erinnern, daß man, wenn man nicht sehr gut darin war, professionelle Betrüger niemals betrog.
Während die Tänzerinnen sich vor Orlys Schreibtisch versammelten, wurde er von der Mischung süßlicher Parfums überwältigt und begann krampfartig zu niesen und zu husten. Shad hatte einen Karton Papiertaschentücher und eine Dose Dr. Pepper mitgebracht. Orly machte aus dem Schneuzen seiner Nase eine Riesenaktion und untersuchte danach das Papiertuch, um zu sehen, was er zutage gefördert hatte. Erin sah zu Urbana Sprawl hinüber und verdrehte die Augen. Der Mann war ein Schwein.
»Na schön«, begann Orly. »Wir wollen uns heute über das Tanzen unterhalten. Mir sind Klagen zu Ohren gekommen.«
Keine der Stripteasetänzerinnen sagte etwas. Orly zuckte die Achseln und fuhr fort: »Im Grunde gibt es nur ein Problem: Ihr müßt euch mehr bewegen. Ich meine damit eure Hintern und auch eure Möpse. Ich habe heute abend zugesehen, und bei einigen von euch hat man das Gefühl, einer Leiche beim Verfaulen zuzusehen. Da zuckt und regt sich gar nichts.« Orly hielt inne und riß das Dr. Pepper auf, das aus der Dose hervorschäumte. Als er den Dosenrand mit der Zunge ableckte, stöhnten mehrere Tänzerinnen auf.
Orly sah hoch und fragte: »Hat irgend jemand Probleme? Wenn ja, dann heraus damit.«
Erin hob eine Hand. »Mr. Orly, unser Tanzstil hängt von der Musik ab.«
Orly winkte mit der Dose. »Und weiter.«
Erin sagte: »Wenn die Songs schnell sind, dann tanzen wir schnell. Wenn die Songs langsam sind, tanzen wir langsam...«
»Wir haben das doch schon früher durchgehechelt«, unterbrach er sie. »Ihr wolltet eure eigenen Songs aussuchen, und ich sagte, okay, unter der Bedingung, daß es gute, heiße Tanznummern sind. Aber einiges ist Scheiße, ehrlich, die reinste Fahrstuhlmusik.«
Urbana Sprawl wehrte sich. »Janet Jackson, Madonna – das ist wohl kaum Fahrstuhlmusik. Oder Paula Abdul? Ich bitte Sie.«
Das war die falsche Argumentationsweise bei Orly, der Janet Jackson nicht von Bo Jackson unterscheiden konnte. Er stellte die Limonadendose ab. »Ich weiß nur, daß ich heute abend einen Knaben gesehen habe, der an Tisch vier wie ein Baby geschlafen hat. Geschlafen! Das Gesicht nicht mehr als dreißig
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