Stromschnellen: Roman (German Edition)
beiden Bierdosen ausgetrunken hatte. Die zweite hatte er Smoke und Margo angeboten, aber sie hatten abgelehnt. Margo musste ihn immerzu ansehen. Es war verrückt, aber sie war machtlos dagegen. Männer wie er bedeuten für jede Frau den Untergang, das wusste sie. Gerade war sie einigermaßen klargekommen, hatte einen guten Lagerplatz und genug Essbares gefunden, da war ein Kerl aufgetaucht, hatte sie berührt und ihr das Haar gekämmt. Sie war wie elektrisiert gewesen, und sie hatte sich eingebildet, sie könnte sich selbst vertrauen. Wenn sie sich jetzt auf einen Kerl wie Johnny einließ, wäre ihr schon im nächsten Moment egal, ob sie ihre Mutter je finden würde oder was sie aus ihrem Leben machen sollte.
»Na dann, auf zu den Keys! Ich will da auch ein paar Kubaner besuchen, die ich kenne«, sagte Johnny. »Besonders freue ich mich auf eine hübsche kubanische Lady.« Zum Abschied streckte er die Hand aus und zog an Margos Zopf.
»Der Kerl hat das gewisse Etwas«, meinte Smoke, als Johnny weg war. Seine Wangen waren immer noch gerötet. »Wenn er es abpacken und verkaufen könnte, wäre er ein reicher Mann.«
Margo ließ Nightmare aus dem Schlafzimmer. Er beschnüffelte den Platz, an dem Johnny gesessen hatte, und knurrte.
Als es Margo erstmals gelungen war, eine Bisamratte zu schießen, ohne dass die Kugel ein Loch hinterließ, brachte sie das gesäuberte Tier mit gebürstetem Fell zu Smoke, wie Fishbone es sich ausgebeten hatte. Sie hatte Glück; als sie dort ankam, stieg Fishbone gerade aus seinem Boot. Er nahm das lang gestreckte schlaffe Vieh entgegen und hielt es am Schwanz hoch.
»Was für eine Falle hast du benutzt?«, wollte er wissen.
»Gar keine. Ich hab durchs Auge geschossen.«
»Bist du wirklich eine so gute Schützin?« Fishbone kniff die Augen zusammen und lächelte. Dabei entblößte er das Gebiss, und Margo stellte fest, dass ihm ein Eckzahn fehlte. »Smoke, ich glaube, unsere Margo ist gerade rot geworden. Junge Dame, ich denke, du solltest den Farmer um die Abschusserlaubnis bitten. Sag ihm, ich bin es leid, Hirsche für ihn zu schießen.«
»Du meinst, du bist es leid, danebenzuschießen«, spöttelte Smoke.
»Ich habe dieses Jahr zwei Hirsche erlegt – mehr als du in den letzten zehn Jahren.«
»Dürfen wir das Wildbret behalten?«, fragte Margo.
»Du kannst es essen, verschenken oder der Gospelmission stiften. Aber du musst mit Mr Harland reden.«
Obwohl der Farmer bestimmt gesehen hatte, wo ihr Boot lag, war er noch nicht zu ihr gekommen. Sie selbst hatte begonnen, sich an seinem Farmhaus herumzudrücken und ihn heimlich zu beobachten, und einmal hatte sie ihn bei einem Streit mit seiner Frau erlebt: Still und stumm hatte er dagestanden, während seine Frau laut schreiend auf und ab marschiert war. Auch die Frau von der anderen Straßenseite, gegenüber von der Heuscheune, beobachtete sie gerne. Sie verbrachte viel Zeit im Freien mit dem Füttern der Vögel und mit Gartenarbeit. Margo spähte durch die Ritzen in der Scheunenwand und überlegte sich, wie sie mit ihr ins Gespräch kommen könnte, doch bis jetzt war ihr nichts eingefallen, was sie hätte sagen können.
»Hast du ein richtiges Gewehr?«, fragte Fishbone.
Margo schüttelte den Kopf.
»Kannst du mit einem umgehen?«
»Natürlich.« Sie nickte.
»Wenn ich gewusst hätte, dass es irgendwo so was wie dich gibt, hätte ich dich geheiratet«, meinte Fishbone lachend.
Smoke schüttelte den Kopf. »Du kannst gerade noch eine Frau gebrauchen …«
»Smoky, du musst ihr für die Hirschjagd dein Gewehr geben. Sie muss das ordentlich machen. Ich möchte nicht, dass sie versucht, einem Hirsch mit dem Kleinkaliber ins Auge zu schießen.«
»Gib ihr doch deine verdammte Knarre. Vielleicht brauche ich meine noch.«
»Achte nicht auf das alte Jammerweib, Margo. Hol mir einen Küchenstuhl, eine Einkaufstüte und etwas Zeitungspapier und bring alles hier auf die Terrasse«, bat er. »Ach, und einen großen Suppenlöffel.«
»Welches alte Jammerweib?«, wollte Smoke wissen. »Damit meinst du wohl dich selbst, du alte Betschwester.«
Fishbone setzte sich auf den Stuhl, legte die Einkaufstüte flach auf den Boden und stapelte ein paar Zeitungen darauf. »Na klar brauchst du dein Gewehr, Smoky! Du brauchst es so dringend wie ein Loch im Kopf!«
»Du wirst dir doch nicht die schönen Lederschuhe beschmutzen?«, frotzelte Smoke.
»Keine Sorge. Ich brauche nur zwei Minuten, um der Kleinen zu zeigen, wie man einer
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