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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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Fishbone der Bisamratte das Fell vom Bauch, und die Eingeweide schwappten auf die braune Papiertüte auf dem Terrassenboden.
    Margo blickte an sich herab: Die Spritzer perlten zwar an ihren Stiefeln ab, durchtränkten aber ihre Hosenbeine. Fishbones Schuhe waren nach wie vor sauber.
    Er schaute zu ihr hoch. »Jetzt musst du nur noch die Eingeweide loswerden, junge Dame. Gibt es hier ein Loch, in dem du sie vergraben kannst?«
    »Der Boden ist gefroren«, sagte Smoke. »Hier gräbt keiner ein Loch.«
    Margo war nicht klar, ob dies ein echter Misston oder nur eine ihrer üblichen Frotzeleien war.
    »Ich zahle Ihnen das Benzin, wenn Sie mich hinbringen«, schlug Margo vor. »Geld hab ich genug.«
    »Seit wann bist du schwanger?«
    »Seit Mitte September, knapp drei Monate.«
    »Ich wusste, dass der Mexikaner für Ärger sorgen würde«, sagte Smoke.
    »Ich kümmere mich darum. Aber ich sag dir was: Wenn man in diesem Land die Freiheit hat, so etwas zu tun, gibt es hier zu viele Freiheiten. Weg mit dem Zeug!«, forderte Fishbone sie mit einem Nicken in Richtung Eingeweide auf.
    »Was haben Sie mit dem Fleisch vor?«, wollte Margo wissen.
    »Willst du es kochen? Schmeckt wie Kaninchen, nur fischiger. Du musst allerdings die Drüsen hier am Bauch wegschneiden, sonst riecht es widerlich.« Er zeigte mit dem Messer auf Beutel, die so groß wie Daumenkuppen waren. Dann hackte er der Bisamratte den Schwanz ab, legte ihn zu den Innereien und wickelte den kleinen Tierkadaver in Zeitungspapier ein. »Wenn du die Drüsen nicht sauber entfernst, rührt nicht mal Nightmare das Fleisch an.«
    Margo kniete sich hin und zog die braune Tüte von Fishbones Füßen weg. Vorsichtig spannte Fishbone den Balg mit der Lederseite nach oben auf eins der Bretter und zeigte Margo, wie man mit einer Löffelkante Fett und Membran wegschabt. Anschließend zog er ein Halstuch aus der Tasche und wischte sich die Hände ab. Fishbones Missbilligung verunsicherte sie zwar, aber Smokes trotzige Haltung machte es ihr leichter.
    Sie trug die Eingeweide bis ans Wasser und warf sie hinein. Die Schnappschildkröten hatten sich zum Winterschlaf bestimmt schon tief im Schlamm vergraben, aber irgendwelche hungrigen Wesen gab es im Fluss immer.
    Als Fishbone sie eine Woche später in seinem alten Chevrolet Pick-up nach Kalamazoo fuhr, sprach er kein Wort mit ihr, und sein Körper wirkte steifer und eckiger als sonst. Er sah sie kaum an, und wenn, dann nur, um den Kopf zu schütteln. Er hatte darauf bestanden, dass sie ihre Büchse bei Smoke in der Küche stehen ließ, und ohne sie fühlte sie sich unwohl. Die Stadt hatte im Näherkommen etwas Anheimelndes mit ihren kleinen Vorgärten, von denen manche bereits weihnachtlich geschmückt waren – bis Heiligabend waren es nur noch knapp zwei Wochen. Margo erblickte Weihnachtsmänner aus Hartplastik, Schneemänner, Heiligenfiguren, Rentiere und mannshohe Zuckerstangen. Abends, wenn die Lichter brannten, sah das bestimmt sehr fröhlich aus. In Smokes Nachbarschaft, die aus eingeschossigen Häusern mit großen Vorgärten bestand, hatten die Menschen in den Fenstern zur Straße und in den Bäumen vor dem Haus Lichterketten aufgehängt, aber zum Fluss hin hatte niemand sein Grundstück dekoriert, dabei sahen die Lichterketten am schönsten aus, wenn sie sich im Wasser spiegelten. Obwohl die Luft im Pick-up nach Fishbones Zigarillo und dem am Rückspiegel baumelnden Lufterfrischer mit Pinienduft stank, wagte Margo nicht, das Fenster zu öffnen, denn sie wollte Fishbone nicht verärgern.
    Nach fünfzehnminütiger Fahrt bog er in die Auffahrt eines Backsteingebäudes ein und hielt am hintersten Ende des Parkplatzes. Er schob eine Acht-Spur-Kassette in den Rekorder, und als ein Gitarrensolo von B. B. King aufjaulte, verschränkte er die Arme vor der Brust.
    Margo holte tief Luft und blickte zum Klinikeingang mit der massiven Doppeltür. Vor dem Gebäude standen vier Demonstranten und hielten Schilder hoch: STOPPT DEN KINDSMORD ! und HIER DRIN WIRD LEGAL GEMORDET !
    Sie warf die Tür des Pick-ups zu und ging über den Asphaltstreifen, der ihr endlos lang vorkam. Sie fühlte sich klein und unsicher, als sie den Gehsteig vor dem Gebäude betrat.
    »Mörderin!«, rief die größte der drei demonstrierenden Frauen.
    Im Graben hinter dem Gebäude erspähte Margo ein Rinnsal, und sie sagte sich, dass jeder Wasserlauf, mochte er noch so klein oder schmutzig sein, irgendwann zum großen Fluss gelangt. Sollte Fishbone weg sein, wenn

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