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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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Bescheid?«
    »Er ist verschwunden.«
    »Wir Frauen müssen wohl selbst für uns sorgen.« Luanne betrachtete Margo. »Mein Gott, bist du schön, Margaret. Ich war damals in Murrayville so deprimiert. Ich glaube, ich habe dich in meinen letzten Jahren dort gar nicht mehr richtig angesehen.«
    »Joanna hat immer gesagt, Schönsein ist ein Fluch.«
    »Typisch Joanna«, erwiderte Luanne. »Schönsein sollte Freude machen.«
    »Ich hab Hunger, Ma«, sagte Margo.
    »Natürlich hast du Hunger. Du bist achtzehn. Ich war auch mit achtzehn schwanger.« Luanne stand auf, und Margo folgte ihr in die Küche.
    »Ich hab heute noch nichts gegessen.«
    »Roger isst in der Arbeit, und ich achte darauf, nicht viel zu essen im Haus zu haben, wenn er weg ist, damit ich nicht in Versuchung komme. Aber hier ist etwas.« Sie nahm eine Metallflasche mit Sprühkäse aus dem Kühlschrank und stellte Margo ein paar Kräcker hin. Als Margo die Flasche neugierig hochhob, um sie anzusehen, nahm Luanne sie ihr aus der Hand, machte den Deckel ab und sprühte etwas orangefarbenen Käse auf einen Kräcker. Margo trug den Teller und die Sprühflasche ins Wohnzimmer, und sie setzten sich wieder auf die Couch. Margo ließ sich tief hineinsinken. Sie aß einen Käsekräcker nach dem anderen und amüsierte sich über das Geräusch, das die Flasche jedes Mal machte. Sie hielt den Teller ihrer Mutter hin, doch Luanne schüttelte den Kopf.
    »Ich hab vor ein paar Monaten mit Tante Joanna gesprochen«, erzählte Margo. »Sie hat gesagt, dass ich vielleicht bei ihnen bleiben und die Schule fertig machen kann.«
    »Arme Joanna! Was hat sie nur für ein Leben! Möchtest du die Schule denn fertig machen?«
    Margo schüttelte den Kopf.
    »Ich habe sie auch nicht abgeschlossen. Ich war ja erst siebzehn, als ich deinen Vater geheiratet habe.«
    »Joanna hat noch ein Kind gekriegt. Wieder einen Jungen.«
    »Großer Gott! Sie ist doch bestimmt schon vierzig! Wie konnte Cal ihr das antun? Sechs Kinder, und alles Jungs!« Luanne lachte.
    Margo staunte, dass man den Namen Cal so beiläufig aussprechen konnte. Brian hatte ihn so hasserfüllt gesagt, Joanna so ehrfürchtig. Diese Art, seinen Namen auszusprechen, passte besser zu der geschwächten Ausgabe von Cal, die sie zuletzt gesehen hatte. »Es ist ein Down-Kind«, erklärte Margo.
    »Ein Down-Kind?«
    »Sie mussten alle Hunde weggeben, sogar Moe, weil das Baby bei ihrem Gebell immer geweint hat. Billy hat gesagt, das Baby ist ein Mongo.«
    »Ach, du meinst das Downsyndrom. Es ist mongoloid. Da kommt was auf Joanna zu! Gut, dass sie so tüchtig ist.«
    »Wenn ich bei ihr geblieben wäre, hätte ich ihr mit dem Baby helfen können.«
    »Gut, dass du von dort weg bist. Du hättest dich totgearbeitet, Süße.«
    »Es macht mir nichts aus, hart zu arbeiten.«
    »Mir schon. Und Frauen wie Joanna finden meine Faulheit unerträglich.«
    Margo zuckte mit den Schultern.
    »Dabei arbeite ich auf meine Weise auch hart. Ich arbeite hart daran, mir mein jugendliches Aussehen zu bewahren. Selbst ein Fünfzigjähriger wie Roger, der Kinder nicht leiden kann, erwartet von mir, dass ich wie ein Teenager aussehe.« Luanne lachte. Sie nahm Margos Hand und hielt sie fest. »Ich habe vergessen, wie still und ernst du bist. Du siehst so hübsch aus, dass es die Leute wahrscheinlich nicht stört, wenn du nichts zu sagen hast.«
    Margo war dankbar, als sie ein paar Möwen sah, die dicht übers Wasser glitten und in Ufernähe landeten.
    Annie Oakleys Mutter hatte ihre Tochter anfangs nicht bei sich aufnehmen, sondern zurück zu den »Wölfen« schicken wollen. Annie hatte sich ihren Platz zu Hause hart erkämpfen müssen, indem sie jagen ging, Fallen stellte und die ganze Familie versorgte, den neuen Mann ihrer Mutter eingeschlossen. Hier aber gab es kein Holz zu hacken, musste fürs Essen kein Wild erlegt und ausgenommen werden und war, soweit Margo es überblickte, auch nichts zu reparieren. Sie vermisste das Gewicht ihres Gewehrs an der Schulter und lockerte sie, um ihre innere Anspannung loszuwerden. »Ich könnte dir bei allem, was hier so anfällt, zur Hand gehen.«
    »Ich kann einfach nicht glauben, dass du hier bist! Hier bei mir! Wie ein Geist! Wie jemand aus einem vergangenen Leben!« Der Fernseher lief. Das hatte er bereits getan, als Margo hereinkam, nun schien er von Minute zu Minute lauter zu werden. »Du kannst erst mal hierbleiben«, bot Luanne an. »Bis Freitagabend gegen sechs Uhr, dann kommt Roger nach Hause. Ich vereinbare

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