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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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zelten.«
    »Wir sollten mal was Neues sehen«, meinte Michael.
    Margo zuckte mit den Achseln. Johnny hievte seinen Körper aus dem Wasser und kletterte auf den Steg. Grinsend rief er Paul etwas zu. Sein Hintern hob sich bleich wie der Mond vom satten Grün rund um die Hütte ab.
    »Vielleicht geh ich heute schwimmen«, überlegte Margo.
    »Nach der Hochzeit sollten wir in die Flitterwochen fahren.«
    »Meinst du in eine von den Ferienhütten in Heart of Pines?«
    »Im Winter ziehen die Reiher nach Florida«, fuhr Michael unbeirrt fort. »Ich hab gehört, dass man dort an manchen Orten Hunderte von Wasservögeln sehen kann. Vielleicht auch Kraniche. Hättest du nicht Lust, mal Kanadakraniche zu sehen, Miss Crane ? Du könntest an deinen Kranichrufen feilen.«
    Margo konnte nicht glauben, dass Michael die Männer drüben an der Hütte nicht bemerkte.
    Nachdem Michael mittags zur Arbeit gefahren war, ging sie ins Schlafzimmer und spähte durch die Glasschiebetür. Als Paul zum ersten Mal über den Fluss schaute, dachte sie sich noch nichts dabei, doch dann blickte er länger herüber, und Margo erkannte, dass er ein kleines Fernrohr in der Hand hielt. Schnell verschwand sie von der Glastür und bereute, dass sie wie eine lebende Zielscheibe so lange dahintergestanden hatte.
    Am sichersten war es wahrscheinlich, im Haus zu bleiben, aber wenn Paul mit den beiden anderen Männern hier aufkreuzte, saß sie in der Falle. Trotz der Hitze ließ sie die Türen offen stehen, während sie abspülte, die Küche aufräumte und über die bereits sauberen Arbeitsplatten wischte, wie Michael es getan hätte. Ihre Unruhe legte sich auch dann nicht, als die drei Männer die Hütte dichtmachten und flussaufwärts fuhren, bis sie aus ihrem Blickfeld verschwunden waren. Um Michael eine Freude zu machen, mähte sie mit dem alten Handmäher ein Stück Rasen, aber ihre Bahnen fielen nicht so gerade aus, wie sie gehofft hatte. Der Wind trug an diesem Nachmittag einen Teergeruch herüber, der ihr noch nie aufgefallen war. Stock- und Dunkelenten landeten zwischen ihr und der Hütte auf dem Fluss, doch sie antworteten nicht auf ihr Quaken, sondern ließen sich von der Strömung davontragen. Normalerweise genoss Margo es, einfach nur ein paar Stunden neben dem Hund zu sitzen und aufs Wasser zu schauen, aber diesmal überlegte sie, ob sie die Zeit nicht besser nutzen sollte. Neulich hatte sie ein paar riesige Zucchini aus dem Fluss geangelt, die vorbeigeschwommen waren. Sie waren dicker und länger als jeder Fisch, den sie bisher gefangen hatte, und es hatte ihr Spaß gemacht, ihnen hinterherzujagen und sie aus der Strömung zu fischen. Diese Zucchini trug sie nun am Nachmittag in den Wald und stellte sie als Ziele auf. Seit Monaten hatte sie nicht mehr mit der Flinte geschossen, die Brian ihr geschenkt hatte. Sie holte die Winchester aus dem Haus und setzte die Ohrenschützer auf – ein Weihnachtsgeschenk von Michael. In ihren Taschen steckten mehrere Dutzend Schrotpatronen für Niederwild sowie ein halbes Dutzend großkalibrige Munition für Hirsche. Eigentlich sperrte sie Cleo nicht gern im Haus ein, wenn sie schießen ging, aber sie hatte es Michael versprechen müssen, nachdem er gesehen hatte, wie interessiert sie das Foto von Annie Oakley und ihrem Hund Dave studiert hatte. Auf dem Foto visierte Annie gerade einen Apfel auf Daves Kopf an.
    Im Wald stellte Margo sich vor, die Zucchini wären Paul und Billy oder unbekannte Vergewaltiger und Mörder, und schoss eine nach der anderen zu Brei. Wenn Michael doch nur mit ihr schießen würde! Dann könnten sie zusammen eine Tontaubenschleuder bauen, aber als sie das Thema unlängst angeschnitten hatte, hatte er ihr vorgeschlagen, dem Schießklub beizutreten. Das hatte sie verwundert. Cal und seine Söhne gehörten dem Angel- und Schießklub zwischen Murrayville und Confluence an, aber von weiblichen Mitgliedern hatte Margo noch nie etwas gehört.
    Anschließend schoss Margo auf große Kürbisstücke, bis sich das Licht golden färbte. Sie nahm die Ohrenschützer ab, setzte sich im Schneidersitz mit dem Rücken an einen Baum und wartete darauf, dass die Vögel zurückkehrten. Das Schlagen der Zikaden schwoll zu einem kreischenden Getöse an und verebbte dann wieder. Margo ahmte den näselnden Ruf eines Karolinenkleibers und das Miauen eines Katzenvogels nach, der hoch oben zwischen ihr und dem Fluss in den Bäumen hockte. Als sie Michaels Auto in die Auffahrt einbiegen hörte, lächelte sie und

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