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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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miaute in seine Richtung, obwohl er sie weder sehen noch hören konnte. Minuten später, als sie mit der Flinte in der Hand aufs Haus zuging, sah sie ein Schnellboot längsseits am Floß anlegen. Margo duckte sich und beobachtete, wie Michael über die Planke aufs Floß ging, um mit dem Besucher zu sprechen. Als sie näher kroch, bestätigte sich ihre Befürchtung: Michael redete mit Paul. Margo pirschte sich so nah heran, bis sie verstehen konnte, was sie sagten.
    »Und, wo steckt sie?«, fragte Paul. Sein Gesicht wirkte verhärmt. »Ich würde gern mit ihr reden.«
    »Anscheinend geht sie Ihnen lieber aus dem Weg.«
    »Sie gehört nicht Ihnen. Sagen Sie ihr, dass ich mit ihr reden will.«
    Margo kauerte so leise nieder, dass hinter ihr ein Blesshuhn ungestört weiter flussabwärts schwamm.
    »Natürlich gehört sie mir nicht«, erwiderte Michael. »Sie gehört sich selbst und niemandem sonst.«
    »Ist sie das dort im Haus?«, wollte Paul wissen. Cleo hatte sich auf die Hinterbeine gestellt und die Vorderpfoten an die Verandatür gestützt, wodurch sie fast so groß war wie eine zierliche Person. Margo ging hinter einem Weidenstamm in Deckung. Die Zikaden wurden wieder lauter.
    »Das ist mein Hund«, erklärte Michael.
    »Ich hab sie vorhin vom anderen Ufer aus gesehen. Ich weiß, dass sie hier ist.«
    Wie auf Kommando fing Cleo an zu bellen.
    »Was haben Sie mit ihr gemacht?«, fragte Michael.
    »Ihr ist es egal, was die Männer mit ihr anstellen. Sie ist ein leichtes Mädchen.« Paul stieg aus dem Boot aufs Floß. Es neigte sich unter seinem Gewicht. Er trat in die Mitte und blieb einen Schritt vor Michael stehen. Niemand sonst war im Boot. Rasch warf Margo einen Blick über den Fluss zur dunklen, verlassen daliegenden Hütte. Offenbar hatte Paul Charlie und Johnny zurückgebracht, als er vor ein paar Stunden den Fluss hochgefahren war.
    »Was wollen Sie von ihr?«, fragte Michael.
    »Ich will ihr erzählen, dass mein Bruder Brian acht Jahre wegen Körperverletzung und noch mal sechs wegen Totschlags absitzen muss. Der bescheuerte Anwalt hat ihn dazu überredet, sich schuldig zu bekennen. Er hat gesagt, dass sie ihm bestimmt ein paar Jahre wegen guter Führung erlassen. Das Problem ist nur, dass mein Bruder vergisst, was gute Führungist, wenn er sich einbildet, er müsste sich vor ein paar Typen aufspielen.«
    »Was bedeutet ihr Brian?«, fragte Michael.
    »Sie erzählt Ihnen wohl gar nichts, was? Mein Bruder sitzt im Gefängnis, weil er eine kleine Drecksarbeit für sie erledigt hat.«
    »Sie ist noch ein Kind. Sie ist nicht für das verantwortlich, was erwachsene Männer tun.«
    »Außerdem hat sie ein paar Sachen, die mir und Brian gehören. Ein Gewehr,zum Beispiel.«
    Am liebsten hätte Margo die Zikaden übertönt und geschrien, dass Brian ihr die Winchester geschenkt hatte, aber sie hielt den Mund.
    »Vielleicht nehm ich dafür ihr Boot. Zum Ausgleich sozusagen.«
    »Warum gehen Sie nicht einfach? Verlassen Sie mein Grundstück.«
    »Witzig, dass mir ein Bürschchen wie du drohen will.« Paul machte einen Schritt rückwärts. Das Floß schwankte, und er ließ es ein paarmal schaukeln, indem er das Gewicht verlagerte. Der MerCruiser wurde von der Strömung dagegengedrückt und stieß mit der Bordwand gegen die Holzplanken.
    »Wenn Sie nicht verschwinden, ruf ich die Polizei«, sagte Michael. Er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Margo hätte ihm gern gesagt, dass es bei Paul nichts nützte, wenn man ihm mit dem Gesetz drohte.
    »Glaubst du wirklich, die Polizei wäre rechtzeitig hier, wenn ich dir was tun will?« Paul packte Michael am Hemd. Margo wusste noch genau, welche Kräfte Paul entwickelt hatte, als er sie in Brians Schlafzimmer festgehalten hatte. Michael machte sich ganz steif, versuchte Paul wegzustoßen, taumelte rückwärts und wäre fast ins Wasser gefallen. Er blieb stehen.
    »Schaff sie her!«, befahl Paul.
    Margo kroch noch näher heran. Pauls Gesicht war ihr fast so vertraut wie Michaels, und es war ein Schock, es wiederzusehen. Aus dieser Entfernung sah sogar sein gesundes Auge seltsam aus, es war rot gerändert und glasig.
    »Und glaub bloß nicht, du hättest einen Unschuldsengel bei dir aufgenommen«, höhnte Paul. »Ich hatte auch schon das Vergnügen.«
    Margos Herz fing an zu rasen. Ihr Vater hatte ihr eingeschärft: Erst denken, dann handeln . Also dachte sie nach, aber in diesem Augenblick bohrte Paul Michael den Finger in die Brust. »Wenn du das nächste Mal mit ihr in die

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