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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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gehen?«, fragte sie. »Oder in die Schule?«
    »Du müsstest nichts tun, was du nicht willst. Schon gut, vergiss, dass ich dich gefragt habe.« Er rückte ein Stück von ihr ab und sagte: »Das war nicht die richtige Art, dich zu fragen. Oder nicht der richtige Zeitpunkt. Ich bin zu aufgewühlt.«
    Margo blickte den Fluss hinunter. Von Joanna und Cal hieß es, dass sie eine gute Ehe führten, und bestimmt würde Joanna sagen, dass sie froh war, Cal geheiratet zu haben. Bei ihren Eltern war Margo sich nicht so sicher.
    »Aber wenn ich dich fragen würde, was würdest du antworten?« Michael kniete im Gras nieder und ergriff ihre Hand, die von den Innereien des Fischs noch ganz schmierig war. »So ist es besser. Willst du mich heiraten?«
    Sie sah auf ihn hinunter. Er trug seine zerknitterte Arbeitshose. Die Krawatte hatte er zwar im Haus abgelegt, aber sein weißes Hemd war immer noch bis zum Hals zugeknöpft.
    Seit sie bei Michael wohnte, war sie gesprächiger geworden und erzählte ihm ab und zu, wenn auch zögerlich, etwas über ihren Vater, ihre Mutter und den einen oder anderen der Murrays. Von Cal, Paul oder Brian hatte sie ihm allerdings nichts erzählt.
    Michael hörte ihr anscheinend gern zu. Ihr Zusammenleben war unkompliziert. Sie liebten sich fast jeden Abend, ohne sich um eine Schwangerschaft sorgen zu müssen. Doch obwohl sie Michael liebte und ihn mittlerweile gut kannte, wäre sie nie auf die Idee gekommen, ihn zu heiraten.
    »Warum siehst du mich so merkwürdig an?«, wollte er wissen. »Heiraten die Menschen dort, wo du herkommst, etwa nicht?«
    »Okay«, sagte sie.
    »Okay was?«
    »Ich heirate dich.«
    »Es heißt ja oder nein «, klärte Michael sie auf und grinste. » Okay klingt ein bisschen weniger begeistert, als ich erhofft hatte.«
    »Okay, ja .«
    »Bist du sicher? Ich hätte dich nicht auf diese Art fragen sollen. Ich hab ja nicht mal einen Ring, Margaret. Ohne Ring macht man als Mann keinen Heiratsantrag!«
    »Annie Oakley hat Frank Butler mit siebzehn geheiratet«, sagte Margo. »Er selbst war achtundzwanzig. Also wie bei uns. Sie haben den Rest ihres Lebens zusammen verbracht. Mit Hunden.«
    »Keine Kinder?«
    »Nein.«
    »Na gut, wenn das für Annie Oakley in Ordnung war, ist es das wohl auch für uns. Du kannst deine Meinung natürlich jederzeit ändern. Frauen tun das ständig. Was könnten wir als Ring nehmen?«
    Nach allem, was Margo gelesen hatte, gab es gewisse Zweifel hinsichtlich Annie Oakleys tatsächlichen Alters. Die Wild West Show hatte Interesse daran, sie so jung wie möglich zu machen. Margo wusste auch, dass Annie sich Kinder gewünscht hatte, aber keine hatte kriegen können.
    Michael sagte: »Mein Gott, noch vor ein paar Minuten habe ich mich vor Schuldgefühlen ganz elend gefühlt, und jetzt bin ich der glücklichste Mensch der Welt.«
    Er pflückte einen einzelnen Löwenzahn, einen der wenigen, die schon blühten, und bat Margo um ihr Fischmesser. Damit ritzte er den Stängel dicht unterhalb des Blütenkopfs ein, bog ihn und fädelte das Ende durch den Schlitz, dann schob er die Schlaufe über Margos Finger und zog sie fest, sodass die große gelbe Blume auf ihrer Hand thronte.
    »Das haben wir früher auch gemacht!«, rief Margo. »Tante Joanna hat mir gezeigt, wie es geht.«
    »Möchtest du eine kirchliche Trauung?« Er umfasste ihre Hand. »Ich glaube, ich kenne die Antwort. Wir werden am Fluss Hochzeit feiern.«
    Margo war überwältigt. Sie betrachtete den Löwenzahn an ihrer Hand.
    »Wir halten es klein: nur wir, ein paar Freunde und die Familie. Vielleicht lässt sich auch deine Mutter blicken.«
    Sie küssten sich am Ufer, und über ihnen flirrten die noch jungen silbrigen Blätter der Zitterpappel. Die Brise nahm die Kühle des aufgetauten Bodens auf und hauchte sie hinter ihnen in die warme Luft.
    »Sollen wir warten, bis du achtzehn bist? Bis Ende November? Das sind ab jetzt noch sieben Monate.«
    Sie nickte. Michael setzte sich im Schneidersitz ins Gras und zog sie neben sich zu Boden. »Tut mir leid, dass ich dich vorhin so angeherrscht habe«, entschuldigte er sich. »Manchmal raste ich eben aus.«

12. KAPITEL
    Beim Mittagessen saß Margo Michael am Tisch gegenüber, aber sie war abgelenkt, weil sie mit einem Auge die Vorgänge am anderen Flussufer beobachtete. Paul trieb sich seit dem Vormittag mit Charlie und Johnny an der Hütte herum, und Margo wollte so lange im Haus bleiben, bis die Männer mit dem MerCruiser verschwanden. Normalerweise blieben

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