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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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Feriencamp, und Billy besucht die Sommerschule. Ich koch dir auch was Gutes.« Joanna schloss die Tür.

14. KAPITEL
    Kaum war Margo wieder im Marihuanahaus, verschlang sie Joannas Zimtbrot mit Marmelade und schleckte das Glas danach aus. Als Kinder hatten sie und Junior die Pfirsichmarmelade mit Fruchtstücken immer fingerdick aufs Toastbrot gestrichen. Das Essen weckte ihre Lebensgeister, und sie brauchte anschließend lange, um einzuschlafen. Der nächste Morgen war dunstig, und Margo schlief bis in die Vormittagsstunden. Als sie aufwachte, hatte sie solchen Heißhunger auf Zimtbrot mit Marmelade, dass sie sich nicht überwinden konnte, das gepflückte Gemüse zu essen, und lieber hungrig blieb. Beim Zusammenpacken fühlte sie sich wie benebelt, und da der Himmel so trüb war, hatte sie keine Ahnung, wie spät es war. Sie machte ihr Boot ein Stück flussabwärts vom weiß getünchten Schuppen der Murrays fest, schlich sich zum Haus und legte sich bäuchlings auf die Lauer. Am Küchenfenster über dem Spülbecken erblickte sie Joanna. Rund zwanzig Minuten später trat sie aus dem Haus, wischte sich die Hände an der Schürze ab und sah sich suchend um. Margo freute sich, dass Joanna nach ihr Ausschau hielt. Bald würde sie aufstehen, zum Haus gehen und die Annie-Oakley-Marlin in den Ständer neben der Tür stellen, aber vorher wollte sie es noch eine Weile beobachten und die Tatsache auf sich wirken lassen, dass sie nach Hause kam, wenn auch nur zu Besuch. Joanna legte den Kopf schief, als hätte sie etwas gehört – vielleicht weinte das Baby –, und eilte zurück ins Haus. Margo konnte sich gut vorstellen, wie dringend Joanna ihre Hilfe benötigte. Also fiel ihrer Tante vielleicht eine Lösung ein, wie sie Margo wieder in die Familie aufnehmen konnte. Sie würde nach der Schule zum Babysitten nach Hause kommen und sich um das »Down-Baby« kümmern. Sie würde beim Brot- und Kuchenbacken für die Männer und Jungs der Murrays helfen, und Joanna könnte ihr diesen Winter beibringen, Suppen und Eintöpfe zu kochen, an denen Margo sich noch nicht versucht hatte. Joanna konnte alles kochen. Und von Onkel Hal könnte Margo lernen, wie man Schweinefleisch räuchert und Speck pökelt.
    Lange lag Margo im feuchten, kühlen Gras und wartete darauf, dass sie Joanna noch mal zu sehen bekam. Wenn sie zum Tomatenpflücken in den zugewucherten Garten ging, würde Margo ihr folgen und helfen. Nach einer Weile bemerkte sie, dass die Vorderseite ihres Hemdes vom Gras durchnässt war, und setzte sich auf. Sie nahm mit der Büchse die Küchentür ins Visier. Aus der Entfernung meinte sie Zimt zu riechen, vielleicht von einem Kuchen oder dem Zimtbrot für den kommenden Tag. Margo legte das Gewehr in den Schoß. Zu dieser Jahreszeit machte Joanna vielleicht auch wieder Pfirsichmarmelade ein. Bald wären die Äpfel reif, die Golden Delicious zum Verzehr und die sauren Jonathans zum Kuchenbacken. In manchen Jahren hatte Joanna auch Apfelkraut hergestellt. Dazu hatte sie die Äpfel so lange eingekocht, bis sie einen rauchigen, karamelligen Geschmack annahmen, und dann Gewürze hinzugegeben. Margo war das Apfelschälen in der Küche der Murrays nie leid geworden.
    Wenn sie zu ihnen zurückkonnte, hätte sie immer genug zu essen und wäre nicht mehr allein. Zu schade, dass Junior nicht da war, mit dem sie Witze reißen und dem sie ihr Herz ausschütten konnte, und auch keine Hunde zum Streicheln! Wahrscheinlich würde sie kein eigenes Gewehr haben dürfen. Trotzdem lief Margo das Wasser im Mund zusammen, als sie an all die Köstlichkeiten dachte, die sie hier kochen und essen würde, und Joanna würde ihr in der Küche Gesellschaft leisten. Außerdem freute sie sich auf die lautstarken Unterhaltungen beim Abendessen, denen sie immer so gern zugehört hatte.
    »Nympho!«, rief eine Stimme am Fluss. Es war eine Männerstimme.
    Geduckt schlich Margo zurück zum Schuppen und zu ihrem Boot. Am Bug von The River Rose stand mit einem langen Gewehr in der Hand Billy. Joanna hatte recht gehabt: Er war Junior über den Kopf gewachsen. Bewegungslos wartete er auf Antwort, aber er konnte Margo, die nur rund zwanzig Schritt entfernt war, nicht sehen. Sie presste sich flach auf den Boden wie der jagende Indianer auf der Pirsch. Als sie auf Billy zielte, ging ihr Atem langsamer. Sie konnte Billy ins Genick schießen und sein Rückgrat durchtrennen, ohne dass er sie überhaupt zu sehen bekam. Bestimmt lag es am Nebel auf dem Fluss oder an ihrem

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