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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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Margo hängte sich das Gewehr auf die rechte Seite, damit er seinen knochigen Arm um ihre Schulter legen konnte. Er war nur ein kleines Stück größer als sie und dünn, wurde ihr aber ziemlich schwer, als sie sich zusammen die Betonstufen hinaufmühten. Margo half ihm in den Rollstuhl. An der Rückenlehne hing eine Sauerstoffflasche. Der Alte befestigte die Plastikschläuche in seinem Gesicht. Dann rückte er die Sonnenbrille zurecht. Er machte ein paar Atemzüge, und in seine Wangen kam Farbe.
    »Geht es Ihnen gut?«, erkundigte sich Margo.
    »Gut?« Mühsam holte er Luft. »Du meinst, abgesehen davon, dass ich bald sterbe? Nein, zum Henker, mir geht’s nicht gut. Nicht mal die verdammten Stufen komm ich mehr hoch.«
    »So ein Boot hab ich noch nie gesehen«, sagte Margo. »Ich meine, eins mit einem Wohnwagen drauf.«
    »Das Leben ist zum Ende hin eine verdammt lausige Angelegenheit. Merk dir das, mein Kind.«
    »Ist Ihre Frau zu Hause?«, fragte Margo. »Soll ich sie holen?«
    »Hab keine Frau. Ein Hund ist ein besserer Gefährte als jede Frau.«
    Von ihrem Standort aus glaubte Margo ein Waschbärenfell zu erkennen, das neben der Garage zum Trocknen über der Rückenlehne eines Gartenstuhls hing. Dahinter war auf einer am Boden liegenden Palette eine Hirschdecke gespannt.
    »Die Hirschdecke gehört Fishbone.«
    »Aber es ist keine Jagdsaison.«
    »Er hat vom Farmer eine Abschusserlaubnis, um Wildschäden zu verhindern.«
    »Eine Erlaubnis, mit der man außerhalb der Jagdsaison jagen darf?«, fragte Margo nach.
    »Der verfluchte Glückspilz hat einen Hirsch geschossen! Dabei trifft Fishbone normalerweise nicht mal die Breitseite einer Scheune. Er will nicht zugeben, dass er langsam alt wird.«
    »Wer ist Fishbone?«, wollte Margo wissen.
    »Fishbone ist der Mann, der mir endlich meine Kippen bringen soll.« Er nickte zu dem am Steg vertäuten kleinen Aluminiumboot.
    Margo kauerte neben dem Fünfzig-Kilo-Hund nieder und streichelte ihn mit beiden Händen.
    »Verkaufen Sie die Felle? Ich meine, verkauft Ihr Freund sie?«
    »Er verkauft sie einem Kerl am Nordufer.« Der alte Mann trug ein dunkelblaues Hemd im Uniformstil. Auf dem Namensschild stand Smoke . Er zog die Sauerstoffschläuche auf seinen stoppligen Wangen zurecht.
    »Wie viel kriegt er dafür?«
    »Nicht genug, um seine Schulden bei mir zu bezahlen.« Streitlustig sah er sich um, als hoffte er, der Betreffende würde aus der Garage treten oder vom Fluss heraufkommen. Auf einem orangefarbenen Aufkleber am Garagenfenster stand CONDEMNED .
    »Darf ich mir einen Eimer ausleihen?«, fragte Margo. »Oh, Mist, ich hab die Ente auf dem Boot vergessen.«
    »Warte«, sagte der Alte. »Nightmare, hol die Ente. Los, Junge!«
    Der große Hund jagte die Betonstufen hinunter und lief zum Boot. Dort hob er die Stockente am grün schimmernden Kopf hoch, brachte sie zum alten Mann und legte sie ihm vor die Füße, ohne einen Abdruck seiner Zähne zu hinterlassen.
    »Einen braven Hund haben Sie da, Mr   Smoke.« Margo stellte fest, dass die Terrassentür fehlte. Im Hausinnern stand ein emaillierter Einmachtopf, der offensichtlich als Mülleimer diente. Wenn sie diesen Topf haben könnte, würde sie die Ente nicht nur darin waschen, sondern anschließend sogar eine Suppe daraus kochen können. »Kann ich mir diesen Topf borgen?« Margo zeigte darauf.
    »Nein, zum Henker.«
    »Kann ich ihn kaufen?« Sein harscher Ton überraschte sie. »Ich hab ein bisschen Geld.«
    »Was soll ich mit Geld? Ich lebe hier im Paradies.« Er lachte und unterdrückte gleich darauf ein Husten.
    »Geld kann man immer brauchen.«
    »Was ist mit der flotten Büchse? Taugt die nur zum Entenwildern?«
    »Die Marlin kann ich Ihnen nicht geben.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Ich bin nämlich Kunstschützin.«
    »Du bist keine Kunstschützin, verdammt noch mal«, schnaubte er, doch dann wurde er nachdenklich. »Es sei denn, du kannst einen Apfel von meinem Kopf schießen.«
    »Das könnte ich.«
    »Ich hab aber keinen Apfel. Wie wär’s mit einer Erdnuss? Kannst du eine Erdnuss von meinem Kopf schießen?«
    Margo musterte den alten Mann. »Ich könnte die Asche von der Zigarette in Ihrer Hand schießen.« Das glühende Zigarettenende war als Ziel etwa so groß wie ein Entenauge. Annie Oakley hatte oft jemandem die Zigarette aus der Hand geschossen. Aus zehn Schritt Entfernung, schätzte Margo, hatte sie eine fünfzigprozentige Trefferchance – vorausgesetzt, alles lief gut.
    »Wie

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