Studio 6
schreiben Artikel über die Gewalt. Die Misshandlungen geschehen meist nach einem bestimmten Muster, bei Josefine war es sicher nicht anders. Sie meinte wahrscheinlich die ganze Zeit, dass es besser würde, wenn sie sich so veränderte, dass sie seinen Wünschen entsprach. An manchen Tagen war es auch sicher richtig schön, und Josefine glaubte, sie wären auf dem richtigen Weg. Aber sein Verlangen, sie zu kontrollieren, wurde immer größer, wahrscheinlich wurde auch seine Eifersucht immer schlimmer. Er kritisierte sie immer mehr, auch vor anderen Menschen, und höhlte so ihr Selbstvertrauen aus.«
Patricia nickte.
»Es war wie eine langsame Gehirnwäsche«, erzählte sie.
»Jossie war sich ihrer selbst nicht mehr sicher, sie sagte, dass sie ihre Ausbildung nie schaffen würde. Sie hielt sich für eine hässliche, fette Hure, niemand außer ihm würde sie je lieben können. Jossie weinte immer mehr, am Ende fast ununterbrochen. Sie wagte es nicht, ihn zu verlassen, er hatte ihr gesagt, dass er sie totschlagen würde, wenn sie es versuchte.«
»Hat er sie vergewaltigt?«, fragte Annika. »Sexuelle Gewalt ist sehr verbreitet. Eine Reihe von Männern erregt es, zu sehen, wenn die Frau angstgelähmt ist … Was ist denn?«
Patricia presste die Hände auf die Ohren, kniff beide Augen fest zu und biss die Zähne zusammen. Sie fing an, verzweifelt zu weinen.
»Aber, Patricia, was ist denn?«
Annika nahm die andere Frau in den Arm und wiegte sie. Die Tränen liefen wie der Regen draußen, ein unkontrollierbares Schütteln und ein großer innerer Druck pressten sie hervor.
»Das war das Schlimmste«, flüsterte Patricia, als die Erschöpfung da war. »Das Schlimmste war, wenn er sie vergewaltigte. Sie hat so schrecklich geschrien.«
Neunzehn Jahre, sechs Monate und dreizehn Tage
Ich sehe ihn durch die Schleier der Erinnerung kommen, das Muster wird wiederholt, der Refrain beginnt. Er steigert sich in seine übliche Raserei hinein, fängt damit an, herumzugeben und zu trampeln und zu fluchen, dann, mich zu boxen und zu schreien. Ich werde von den üblichen Symptomen heimgesucht, das Gesichtsfeld verkleinert sich, die Schultern sinken herab, die Ellenbogen pressen sich in die Seiten, und die Hände fassen an den Kopf. Ich kann nichts mehr fixieren, die Geräusche sind alles, ich bin paralysiert. Eine Ecke, in die ich sinken könnte, ein lautloses Flehen um Gnade.
Seine Stimme hallt in meinem Kopf wider, und ich höre meine eigene nicht mehr. Der Gesang der Angst tost in meinem Inneren, die namenlose Angst, der unartikulierte Schrecken. Vielleicht versuche ich zu schreien, ich weiß es nicht, sein Brüllen wird lauter und leiser, ich werde bewegt, die Wärme breitet sich aus, das Rote kommt. Nein, ich spüre keinen Schmerz. Der Druck ist rot und heiß. Bei den schlimmsten Schlägen hört der Gesang auf, als würde die Nadel auf einer alten Vinylscheibe springen. Dann kehrt er einen Halbton höher wieder zurück. Angst, Angst, Furcht und Liebe. Tu mir nicht weh! Oh, Lieber, Einziger, so liebe mich doch!
Und er sagt,
dass er mich niemals
gehen lässt.
FREITAG, 7. SEPTEMBER
Annika war speiübel vor Müdigkeit, als der Wecker klingelte. Sie schaltete ihn mit einem Stöhnen aus. Die Beine taten ihr weh, sie waren schwer wie Blei. Der Regen trommelte immer noch auf das Fensterblech, ein abstrakter Rhythmus mit Schlägen in unterschiedlicher Stärke.
Sie warf sich aufs Wohnzimmersofa und erledigte zwei Telefonate. Sie hatte Glück. Beide Männer waren da. Mit dem ersten machte sie ein Treffen eine Stunde später aus, mit dem anderen am folgenden Tag. Dann kroch sie wieder ins Bett und kämpfte eine halbe Stunde gegen den Schlaf. Als sie aufstand, war sie noch müder. Sie roch stark und beißend nach Schweiß, schaffte es aber nicht, zu duschen. Stattdessen rollte sie etwas Deo unter die Achseln und zog einen dicken Pullover an.
Er war schon da, saß an einem Fenstertisch und starrte den Regen an, der die Scheibe herablief. Eine Tasse Kaffee und ein Glas Wasser standen vor ihm.
»Kennen Sie mich noch?«, fragte Annika und streckte ihre Hand aus. Der Mann erhob sich und lächelte schief.
»Natürlich«, erwiderte er. »Wir sind ja buchstäblich zusammengestoßen.«
Annika wurde rot, sie schüttelten einander die Hände und setzten sich.
»Was genau wollen Sie?«, fragte Q.
»Studio 6 hinterzieht Steuern«, sagte Annika. »Joachim macht doppelte Buchführung, um das Finanzamt zu betrügen. Die richtigen Bücher, in
Weitere Kostenlose Bücher