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Studio 6

Studio 6

Titel: Studio 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Ich bin einfach zu nett, dachte sie.
    Sie nahm die Treppen von der Pipersgatan zur Kungsklippan hinauf, und die Knie zitterten ihr, noch ehe sie oben war. Nach dem Sturz im Park tat ihr das Steißbein weh.
    Die kleine Wohnung von Anne Snapphane lag im sechsten Stock. Sie hatte einen Balkon und eine traumhafte Aussicht. Die Katzen fingen an zu maulen, sowie sie den Schlüssel ins Schloss steckte. Als sie die Tür öffnete, standen beide da und steckten ihre Nasen in die Türöffnung.
    »Ach, nein, ihr Süßen, steht ihr hier und maunzt?«
    Sie schob die jungen Katzen mit dem Fuß hinein, zog die Tür hinter sich zu und setzte sich auf den Boden im Flur.
    Beide Tiere sprangen augenblicklich auf ihren Schoß und stupsten mit den Nasen an ihr Kinn.
    »Was, wollt ihr Küsschen?«, fragte Annika und lachte.
    Sie schmuste ein wenig mit ihnen, stand dann auf und ging in die Küchenecke. Die drei Näpfe der Katzen standen auf einer Korkfliese vor dem Herd. Die Milch war sauer geworden und roch schlecht. Das Fressen und das Wasser waren alle.
    »So, jetzt kriegt ihr was, ihr Mausekätzchen …«
    Sie leerte die saure Milch aus, spülte die Schale unter fließendem kalten Wasser aus und füllte sie mit frischer Milch aus dem Kühlschrank. Die kleinen Katzen strichen ihr um die Beine und jammerten wie besessen.
    »Ja, ja, nur ruhig.«
    Sie waren so aufgeregt, dass sie nicht aufhörten, an der Schale hochzuspringen, noch ehe sie sie absetzen konnte.
    Während die Katzen tranken, füllte sie Wasser in die andere Schale und suchte nach Katzenfutter. In einem Schrank fand sie drei Dosen Whiskas, was ihr wieder die Tränen in die Augen trieb, denn so hieß ihre eigene Katze zu Hause in Hälleforsnäs. Sie wohnte diesen Sommer draußen bei Großmutter in Lyckebo.
    »Ich werde langsam verdammt sentimental«, sagte sie laut.
    Sie öffnete eine Dose, rümpfte die Nase über den Geruch und schob die Masse in den dritten Napf. Dann ging sie kurz ins Badezimmer und sah nach dem Katzenklo – das konnte bis morgen so bleiben.
    »Tschüss, ihr Mausis«, sagte sie.
    Die Katzen beachteten sie nicht.
    Schnell verließ sie die Wohnung und ging zum Kungsholmstorg zurück. Es wurde Tag. Alle Vögel waren jetzt erwacht. Sie war groggy, schwankte ein wenig, konnte Entfernungen nicht mehr richtig einschätzen.
    Das hält man nicht lange durch, dachte sie.
    In ihrer Wohnung war es drückend heiß. Sie lag unter dem Dach in einem Wohnhaus aus den 1880er-Jahren und hatte weder Badezimmer noch warmes Wasser. Dafür hatte sie drei Zimmer und eine große Küche. Annika empfand es als unglaubliches Glück, sie gefunden zu haben.
    »Niemand will heute noch so primitiv wohnen«, hatte die Frau bei der Wohnungsvermittlung eingewandt, als Annika eingetragen hatte, dass sie ohne Fahrstuhl, warmes Wasser, Badezimmer oder zur Not auch ohne Elektrizität wohnen konnte, wenn es sein musste.
    Annika hatte darauf beharrt.
    »Hier. Die will keine haben«, meinte die Frau daraufhin und hatte ihr einen Computerausdruck mit der Anschrift, Hantverkargatan 32, 4. Etg. rübergeschoben.
    Annika nahm sie unbesehen. Seither hatte sie jeden Tag ihrem glücklichen Stern gedankt, doch sie wusste, dass ihre Freude nicht von Dauer sein würde. Sie hatte sich einverstanden erklärt, binnen einer Woche auszuziehen, sowie der Besitzer der Immobilie das nötige Geld für eine Renovierung aufgetrieben hatte.
    Sie ließ die Tasche im Flur auf den Fußboden fallen und ging in ihr Schlafzimmer. Ehe sie gestern Vormittag zur Arbeit gegangen war, hatte sie das Fenster aufgemacht, doch es war zugefallen. Gähnend mache sie es wieder auf und ging ins Wohnzimmer, um Durchzug zu schaffen.
    »Wo bist du gewesen?«
    Sie erschrak sich so, dass sie zusammenfuhr und losschrie. Die Stimme war tief und kam aus den Schatten bei ihrem Bett.
    »Meine Güte, verlierst du schnell die Nerven.«
    Es war Sven, ihr Verlobter.
    »Wann bist du gekommen?«, fragte sie, während ihr Herz pochte. »Gestern Abend. Ich wollte dich ins Kino einladen. Wo bist du gewesen?«
    »Auf der Arbeit«, sagte sie und ging ins Wohnzimmer hinaus.
    Er stand aus dem Bett auf und folgte ihr.
    »Das ist nicht wahr«, sagte er. »Ich habe vor einer Stunde angerufen, da haben sie gesagt, du seist gegangen.«
    »Ich habe Annes Katzen gefüttert«, antwortete sie und öffnete das Wohnzimmerfenster.
    »Was für eine beschissene Ausrede«, sagte er.

Sechzehn Jahre, sechs Monate und einundzwanzig Tage
    Es gibt eine Dimension, die jede Grenze

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