Studio 6
Verrückte an. Sie konnte nicht mit allem gleich zum Nachrichtenchef rennen.
Sie machte sich wieder an ihren Artikel über den Durchbruch der Polizei in den Ermittlungen um Josefines Mörder. Ohne Patricia zu zitieren, schaffte sie es doch, informiert zu wirken, und sie schrieb über den Verdächtigen, ohne den Pressesprecher in Schwierigkeiten zu bringen. Sie ließ durchblicken, dass Josefines Freund der Täter war, ohne es direkt auszusprechen. Die Trauerorgie in Täby fasste sie kurz und knapp zusammen.
Sie machte einen Gang zur Cafeteria, kaufte sich eine Cola und hörte sich die Schlagzeilen von Studio 6 an. Das Thema war die Rolle der Journalisten im Wahlkampf. Sie schaltete aus und fertigte ein Schaubild mit Zeit- und Ortsangaben über die letzten Stunden im Leben von Josefine an. Das Einzige, was sie ausließ, war der Name des Pornoklubs, in dem Josefine gearbeitet hatte, sie nannte ihn einfach nur »den Klub«. Dann ging sie zur Grafikabteilung, wo ihre Angaben in eine Karte oder ein Luftbild von Kungsholmen eingearbeitet werden sollten.
Als sie fertig war, war es schon fast neunzehn Uhr. Ihr war warm, und sie war erschlagen und konnte einfach nicht mehr recherchieren. Stattdessen machte sie es sich bequem und las die Morgenzeitungen diagonal. Um halb acht schaltete sie den Ton des Fernsehers an und schaute sich
Rapport
an. Die Nachrichten brachten weder etwas zu Josefine noch zur IB-Affäre. Der einzig interessante Beitrag kam wieder einmal vom Russlandkorrespondenten. Er schloss seine kleine Serie über den Bürgerkrieg in Kaukasien mit einem Experten in Moskau ab, der seine Einschätzung der Lage zum Besten gab.
»Der Präsident braucht Waffen«, fasste der Experte zusammen. »Das Land hat keinerlei Munition, Granaten, Luftgewehre, Maschinengewehre, Schrotgewehre oder Ähnliches mehr. Das ist das unüberwindbare, gigantische Problem des Präsidenten. Da die Vereinten Nationen beschlossen haben, ein Waffenembargo zu verhängen, fällt es ihm ziemlich schwer, an neue Waffen heranzukommen.
Die einzige Alternative ist der Schwarzmarkt, und für den fehlt ihm das Geld.«
»Wie kommt es, dass die Guerilla über so viele Waffen verfügt?«, fragte der Korrespondent.
Der Experte lächelte verlegen.
»Im Grunde genommen ist die Guerilla ziemlich schwach, mangelhafte Ausbildung, schlechte Führung.
Doch sie haben freien Zugang zu russischen Waffen, denn mein Land hat große politische Interessen in Kaukasien.
Es lässt sich leider nicht leugnen, dass Russland die Guerilla materiell unterstützt …«
Annika erinnerte sich an den Schwedisch sprechenden alten Mann, den Präsidenten, dessen Volk unter den Angriffen der Guerilla litt. Unglaublich, wie feige und ungeschickt die Weltgemeinschaft sich verhielt! Warum machte man Russland nicht zum Vorwurf, dass es den Bürgerkrieg unterstützte?
Als
Rapport
zu Ende war, war es in der Redaktion ruhig geworden. Spiken war nach Hause gegangen, und Jansson saß nun auf dem Chefsessel. Annika blätterte rasch durch die neuesten Telexnachrichten, las die Artikel im »Kasten« und sah im Fernsehen die Kurznachrichten in
Aktuell.
Dann ging sie zu Jansson hinüber.
»Hübsche Grafik«, meinte der Nachtchef, »und ein guter Text über den verdächtigen Freund. Das hätte man sich ja denken können.«
»Gibt’s noch etwas, was ich tun könnte?«, fragte sie.
Janssons Telefon klingelte.
»Ich denke, Sie sollten jetzt nach Hause gehen«, antwortete er. »Sie waren jetzt das ganze Wochenende rund um die Uhr hier.« Annika zögerte.
»Sicher?«
Jansson antwortete nicht. Annika ging zu ihrem Platz, sammelte ihre Sachen zusammen und räumte den Schreibtisch auf, denn sie würde jetzt vier Tage fort sein und ein anderer Reporter an ihrem Platz sitzen.
Auf dem Weg nach draußen stieß sie mit Berit zusammen.
»Sollen wir in der Pizzeria um die Ecke ein Bier trinken?«, fragte die Kollegin.
Annika war erstaunt, ließ sich aber nichts anmerken.
»Ja, das wäre nett«, meinte sie. »Ich habe noch nicht zu Abend gegessen.«
Sie nahmen die Treppe. Draußen war es so drückend, wie der Tag heiß gewesen war. Die Luft über dem Beton des Parkhauses flimmerte immer noch.
»So einen Sommer habe ich noch nie erlebt«, sagte Berit.
Die Frauen gingen langsam zum Rålambsvägen und zu der in einem Souterrain gelegenen Pizzeria, die sich auf geheimnisvolle Weise Jahr für Jahr dort hielt.
»Hast du Familie hier?«, fragte Berit, als sie an der Ampel warteten.
»Einen Verlobten
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