Studio 6
nach Malmö würde in fünf Minuten abfahren.
Außer ihr stiegen nur drei Araber in Flen aus. Der Bus nach Hälleforsnäs kam in einer Viertelstunde. Annika setzte sich auf eine Bank vor dem Gemeindehaus und studierte das Kunstwerk »Vertikales Streben«. Es war wirklich unglaublich schlecht. Im Bus aß sie eine Tüte Weingummi und stieg dann am Supermarkt aus.
»Herzlichen Glückwunsch!«, rief Ulla, eine der Kolleginnen ihrer Mutter. Die Frau stand in ihrer grünen Kittelschürze an den Blumenkästen vor dem Laden und rauchte.
»Wozu?«, fragte Annika und lächelte.
»Na, zu dem Erfolg! Titelseite und alles. In Hälleforsnäs sind alle ganz stolz!«, rief Ulla.
Annika lachte und winkte abwehrend. Sie ging an der Kirche vorbei zu ihrer Wohnung. Die Gegend wirkte tot und verlassen. Die roten Häuserreihen aus den vierziger Jahren stöhnten unter der Hitze.
Hoffentlich ist Sven nicht da, dachte sie.
Die Wohnung war leer, alle Zimmerpflanzen tot. Ein nicht geleerter Mülleimer verbreitete in der Küche einen unangenehmen Geruch. Sie leerte ihn aus und öffnete alle Fenster. Die Blumenleichen mussten stehen bleiben. Dazu hatte sie jetzt keine Lust.
Ihre Mutter freute sich ehrlich, sie zu sehen. Sie umarmte Annika etwas unbeholfen mit kalten, aber dennoch etwas schwitzigen Händen.
»Hast du schon gegessen? Ich habe Elchgulasch auf dem Herd.«
Der neueste Liebhaber der Mutter war Jäger.
Sie setzten sich an den Küchentisch, und ihre Mutter zündete sich eine Zigarette an. Die Fenster waren gekippt, und Annika konnte ein paar Kinder hören, die sich um ein Fahrrad stritten. Sie ließ den Blick den Hügel hinab zur Fabrik gleiten, deren trostloses graues Flachdach sich ausdehnte, so weit das Auge reichte.
»Jetzt erzähl mal. Wie ist es dir ergangen?«
Die Mutter lächelte ihr erwartungsvoll zu.
»Was meinst du?«, fragte Annika.
»Na, dieser Erfolg! Alle haben es gesehen und sind gekommen und haben mir an der Kasse gratuliert. So tolle Artikel. Auf der Titelseite und so.«
Annika sah auf ihre Füße hinab.
»Es war nicht so schwer«, sagte sie. »Ich habe einen guten Tipp bekommen. Wie geht es dir denn so?«
Das Gesicht der Mutter hellte sich auf.
»Ja, da wirst du staunen«, erwiderte sie und stand auf.
Der Zigarettenrauch zeichnete einen Drachen in die Luft, als sie zur Arbeitsfläche hinübereilte. Annika verfolgte ihn, bis die Mutter zurückkam. Sie breitete ein paar Kopien vor Annika aus.
»Also, ich favorisiere das hier«, sagte sie, klopfte auf den Tisch, setzte sich und nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette.
Annika betrachtete die Papiere ihrer Mutter mit einem leichten Seufzer. Es waren Prospekte von verschiedenen Maklern in Eskilstuna. Der oberste, auf den die Mutter geklopft hatte, kam von einer überregionalen Maklervereinigung. »Exklusive Villa in Hanglage m. bester Ausstg.
u.a. vertiefte Badewanne in voll gekach. Badezimmer, Eckwohnzi. Partyraum m. offenem Kamin«, las sie.
»Warum kürzen die denn ›mit‹ ab?«, fragte Annika.
»Wie?«
»Sie kürzen das kürzeste Wort im Satz ab«, meinte Annika. »Ich finde das sinnlos.«
Die Mutter fächelte ärgerlich den Rauch zwischen ihnen weg.
»Was meinst du?«, fragte sie.
Annika zögerte.
»Ich finde, es ist etwas teuer.«
»Teuer?«, fragte die Mutter und zog den Prospekt zu sich herüber. »Flur mit Marmorfußboden, in der Küche Klinker und im Keller eine Bar. Ist doch perfekt!«
Annika holte tief Luft.
»Klar«, sagte sie, »ich frage mich nur, ob du dir das leisten kannst. 1,3 Millionen sind schließlich eine ganze Stange Geld.«
»Schau dir doch die anderen auch noch an«, forderte die Mutter sie auf.
Annika blätterte den Stapel durch. Alle Häuser waren große Kästen in der näheren Umgebung von Eskilstuna.
Sie hatten sämtlich mehr als sechs Zimmer und große Grundstücke.
»Du magst Gartenarbeit doch gar nicht«, gab Annika zu bedenken.
»Leif ist ein Naturmensch«, erwiderte die Mutter und drückte ihre halb gerauchte Zigarette aus. »Wir überlegen, ob wir zusammen was kaufen.«
Annika tat, als hätte sie es nicht gehört.
»Wie geht es Birgitta?«, fragte sie stattdessen.
»Ganz gut«, meinte ihre Mutter. »Sie kommt mit Leif gut klar. Du würdest ihn auch nett finden, wenn du ihn mal kennen lernen würdest.« Ihre Stimme klang vorwurfsvoll und gekränkt.
»Kann sie beim Spar bleiben?«
»Jetzt Wechsel mal nicht das Thema«, sagte ihre Mutter und setzte sich gerade hin. »Warum willst du Leif nicht
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