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Stürmische Begegnung

Stürmische Begegnung

Titel: Stürmische Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Eichenholz. Jetzt wurde der kalte und helle Raum jedenfalls als Werkstatt benutzt. Joss stand in der Mitte, umgeben von Stühlen, zerbrochenen Bilderrahmen, einem Tisch mit einem schiefen Bein. Werkzeuge und Nägel lagen herum. Ich sah einen primitiven Gaskocher, auf dem ein nicht sehr verlockend aussehender Topf mit Leim stand. Joss hatte eine alte blaue Schürze an und zog gerade ein Stück wunder schönes rotes Leder auf einen der Stühle. Dabei hatte er sich of fenbar mit einem jungen Mädchen unterhalten. Sie sah zur Tür, um festzustellen, wer hereingekommen war und das traute Tete-à-tete störte.
    „Andrea!“ sagte Mollie, und dann, nicht mehr so scharf:
    „Ich habe gar nicht gewußt, daß du hier oben bist.“
    „Oh, ich bin schon seit Stunden hier.“
    „ Hast du gefrühstückt?“
    „ Nein, ich hatte keinen Hunger.“
    „Andrea, das ist Rebecca. Rebecca Bayliss.“
    „Ah.“ Sie sah mich an. „Joss hat mir schon von Ihnen er zählt.“
    „Ich freue mich“, sagte ich. Sie war sehr jung und sehr dünn, mit langen strähnigen Haaren, die ein recht hübsches Gesicht umrahmten, in dem nur zwei Dinge störten, die leicht hervor stehenden Augen und die dilettantisch aufgetragene Wimpern tusche. Sie trug natürlich Jeans und ein T-Shirt aus Baumwolle, das nicht mehr ganz sauber war und ohne den Schatten eines Zweifels erkennen ließ, daß sie keinen BH anhatte. Ihre Sanda len sahen aus wie grünweiß gestreifte Schwesternschuhe. Um den Hals trug sie eine Silberkette mit einem Medaillon. Das ist also Andrea, dachte ich. Die sich in Boscarva langweilt. Und der Gedanke, daß sie und Joss über mich geredet hatten, bereitete mir ein gewisses Unbehagen. Ich fragte mich, was sie wohl gesagt haben mochten.
    Sie rührte sich nicht, sondern blieb breitbeinig, an einen schweren alten Mahagonitisch gelehnt, stehen.
    „Hi“, sagte sie.
    „Rebecca wird bei uns wohnen“, teilte Mollie ihnen mit. Joss blickte interessiert auf. Er hatte ein paar Heftklammern zwi schen den Lippen, und eine schwarze Locke fiel ihm in die Stirn.
    „Wo schläft sie denn?“ fragte Andrea. „Ich dachte, das Haus ist voll.“
    „In dem Zimmer hinten am Flur“, antwortete ihre Tante kurz. „Joss, würden Sie mir einen Gefallen tun?“
    Er spie die Heftklammern zielsicher in seine Hand, richtete sich auf und strich sich die Locke aus der Stirn.
    „Würden Sie Rebecca bitte jetzt gleich zu Mrs. Kernow bringen, Mrs. Kernow sagen, daß sie zu uns zieht, und ihr dann mit ihrem Gepäck helfen und sie wieder herbringen? Ich weiß, es ist ein bißchen viel verlangt, aber…“
    „Kein Problem“, sagte Joss, während Andrea eine halb resi gnierte, halb gelangweilte Miene aufsetzte.
    „Ich weiß, Sie haben etwas dagegen, wenn man Sie bei der Arbeit stört, aber wir wissen nicht, wie wir es sonst machen sol len.“
    „Es ist wirklich kein Problem.“ Er legte den kleinen Hammer hin, band sich die Schürze ab und grinste mich an. „Ich be komme langsam Übung darin, Rebecca herumzu-kutschieren.“
    Andrea gab einen prustenden Ton von sich, vor Ungeduld oder weil sie alles anödete. Sie stieß sich vom Tisch ab und stak ste aus dem Zimmer. Wir konnten uns sicher glücklich schät zen, daß sie die Tür nicht laut zuknallte.
     
    Da war ich nun wieder, wo ich angefangen hatte, neben Joss in seinem kleinen zerbeulten Pritschenwagen. Wir fuhren schwei gend los, ließen Boscarva hinter uns, kamen durch Mr. Padlows trostloses Ferienhausgelände und erreichten den Hang zum Ort hinunter.
    Es war Joss, der das Schweigen brach. „Dann hat ja alles geklappt.“
    „Ja.“
    „Wie gefällt Ihnen Ihre Familie?“
    „Ich hab noch nicht alle kennengelernt. Grenville war noch oben.“
    „Sie werden ihn mögen“, sagte er, mit der Betonung auf ihn. „Ich mag sie eigentlich alle.“
    „Das ist ja schön.“
    Ich sah ihn an. Sein Gesicht war unbewegt. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, daß er einen leicht zur Weißglut bringen konnte.
    „Erzählen Sie von Andrea“, sagte ich.
    „Was wollen Sie über sie wissen?“
    „Ich weiß nicht. Erzählen Sie einfach.“
    „Na ja, sie ist siebzehn und glaubt, sie ist in einen Jungen von der Kunstschule verliebt. Ihre Eltern sind nicht damit einverstanden und haben sie der Einfachheit halber aufs Land expediert, zu Mollie. Sie langweilt sich tödlich.“
    „Sie hat in Ihnen offenbar jemanden gefunden, mit dem sie reden kann.“
    „Sonst ist ja niemand zum Reden da.“
    „Warum fährt sie nicht nach London

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