Stürmische Begegnung
also ein herzliches Willkommen sein.) Eliot, der ihr auf dem Fuß gefolgt war, schloß die Tür. Joss drehte sich nicht mal um.
Ich rechnete mir aus, daß Mollie inzwischen über fünfzig sein mußte, doch das war kaum zu glauben, wenn man sie ansah. Sie war vollschlank und ausgesprochen hübsch, mit hellblonden, perfekt frisierten Haaren, blauen Augen und einem frischen, rosigen Teint mit ein paar Sommersprossen. Die Sommersprossen trugen zu einem verblüffend jugendlichen Eindruck bei. Sie trug einen blauen Rock und eine Strickjacke, ebenfalls blau, und eine cremefarbene Seidenbluse. Ihre Beine waren schlank und wohlge formt, ihre Hände hervorragend manikürt, mit rosarot lackierten Fingernägeln und zahllosen Ringen. Als sie da, parfumduftend und makellos gepflegt, vor mir stand, mußte ich unwillkürlich an eine reizende kleine Tigerkatze denken, die sich schnurrend auf ihrem Seidenkissen zusammenrollt.
„Ich fürchte, dies muß ein Schock für Sie sein“, sagte ich.
„Nein, ich bitte Sie, kein Schock, eine Überraschung. Und Ihre Mutter… Es tut mir so leid. Eliot hat mir von dem Brief erzählt…“
Bei diesen Worten fuhr Joss herum.
„Wo ist der Brief?“
Mollie sah ihn an, und es war unmöglich zu sagen, ob sie erst jetzt bemerkt hatte, daß er im Zimmer war, oder ob sie ihn schon vorher gesehen und einfach beschlossen hatte, ihn zu ignorieren.
„Joss! Ich dachte, Sie kämen heute morgen nicht.“
„Doch. Ich bin eben gekommen.“
„Sie kennen Rebecca, glaube ich.“
„Ja, seit kurzem.“ Er zögerte, anscheinend versuchte er sich zusammenzureißen. Dann lächelte er bekümmert und lehnte sich an die Kamineinfassung. „Entschuldigung. Ich weiß, daß es mich nichts angeht, aber dieser Brief, der heute morgen gekom men ist… Wo ist er?“
„Ich hab ihn in der Tasche“, sagte Eliot, der zum erstenmal den Mund aufmachte. „Warum?“
„Es ist nur… Ich finde, Pettifer sollte derjenige sein, der dem alten Herrn die Nachricht überbringt. Ich finde, Pettifer ist der einzige, der es kann.“
Das wurde mit Schweigen quittiert. Dann ließ Mollie meine Hände los und wandte sich zu ihrem Sohn.
„Er hat recht“, sagte sie. „Pettifer steht Grenville am näch sten.“
„Von mir aus“, sagte Eliot, aber er starrte Joss feindselig an. Ich konnte es verstehen. Mir ging es ganz ähnlich – ich war auf Eliots Seite.
„Entschuldigung“, sagte Joss noch einmal.
Mollie blieb höflich. „Keine Ursache. Es spricht für Sie, daß Sie sich um ihn sorgen.“
„Es geht mich wirklich nichts an“, sagte Joss. Eliot und seine Mutter warteten mit hochgezogenen Augenbrauen. Schließlich kapierte er, richtete sich auf und sagte: „Hm, wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich mache besser weiter mit meiner Ar beit.“
„Werden Sie zum Lunch hiersein?“
„Nein, ich hab nur ein paar Stunden Zeit. Ich muß zurück zum Laden. Ich esse schnell im Pub einen Sandwich.“ Er lächelte uns freundlich an, sein Zorn von eben schien total verflogen. „Trotz dem vielen Dank.“
Und so, in seine Schranken gewiesen, mit einer fast unterwür figen Entschuldigung, verließ er das Zimmer. Ganz der junge Handwerker, der dafür bezahlt wird, daß er seinen Auftrag erle digt.
6
M ollie sagte: „Sie müssen ihm verzeihen. Er ist manchmal ein bißchen… ungeschliffen.“
Eliot lachte auf. „Das ist die Untertreibung des Jahres.“
Sie wandte sich zu mir und erklärte: „Er restauriert einige von unseren Möbeln. Sie sind alt und in ziemlich schlechtem Zu stand. Er ist ein hervorragender Handwerker, aber man weiß nie, wann er kommt und wann er geht.“
„Eines Tages werde ich die Geduld verlieren und ihn aus dem Haus werfen“, sagte ihr Sohn und lächelte mich mit tausend Fal ten um die Augen an, so daß ich nicht wußte, ob er seine Worte ernst meinte oder nicht. „Ich muß unbedingt los. Ich war ohne hin schon spät dran, und jetzt ist schon der halbe Tag weg. Sie entschuldigen mich, Rebecca?“
„Natürlich. Es tut mir leid, es war meine Schuld. Vielen Dank, daß Sie so freundlich zu mir waren…“
„Ich bin froh, daß ich gehalten habe. Ich muß irgendwie ge spürt haben, wie wichtig es war. Wir sehen uns…“
„Natürlich seht ihr euch“, bemerkte Mollie. „Jetzt, wo sie uns gefunden hat, kann sie nicht wieder fortgehen.“
„Dann überlasse ich das weitere euch.“ Er ging zur Tür, doch seine Mutter rief ihm freundlich nach: „Eliot…“
Er drehte sich
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