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Stürmische Begegnung

Stürmische Begegnung

Titel: Stürmische Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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sollen“, sagte er. „Wir hätten sie jederzeit willkommen geheißen. Aber was das betrifft – warum sind Sie nicht gekommen?“
    „Ich wußte nichts von Boscarva. Ich habe erst an dem Abend, bevor sie starb, davon erfahren.“
    „Sie hat die Vergangenheit wohl aus ihrem Leben streichen wollen. Als ihre Mutter starb, schrieb ich ihr, aber sie hat nie geantwortet.“
    „Wir waren damals in New York. Sie hat den Brief erst Mo nate später bekommen, und dann dachte sie, es sei zu spät, um zu schreiben. Sie schrieb ohnehin nie gern.“
    „Sie nehmen sie in Schutz. Sind Sie ihr nicht böse, weil sie Sie von Boscarva ferngehalten hat? Sie hätten hier aufwachsen können, Boscarva hätte Ihr Zuhause sein können.“
    „Sie war meine Mutter. Nur darauf kam es an.“
    „Sie widersprechen mir. Neuerdings widerspricht mir hier niemand mehr, nicht einmal Pettifer. Das ist überaus langwei lig.“ Die blauen Augen fixierten mich wieder. „Haben Sie Petti fer kennengelernt? Er und ich waren bei der Navy, es ist ungefähr ein Jahrhundert her. Und Mollie und Eliot? Haben Sie sie kennengelernt?“
    „Ja.“
    „Natürlich sollten sie nicht alle hier wohnen, aber der Arzt hat darauf bestanden. Mich persönlich stört es ja nicht so sehr, aber es ist ein Unglück für den armen Pettifer. Und Mollie hat jetzt noch eine Nichte ins Haus geholt, ein schreckliches Geschöpf mit Hängebrüsten. Haben Sie sie gesehen?“
    Ich unterdrückte ein Kichern. „Ja, kurz.“
    „Mehr wäre auch zu lange. Und Boscarva. Wie finden Sie Bos carva?“
    „Ich finde es wunderbar. Ich finde alles wunderbar, was ich bis jetzt gesehen habe.“
    „Der Ort breitet sich immer mehr aus, bis über den Hügel. Oben war vorher eine Farm, sie gehörte einer alten Dame, Mrs. Gregory. Aber dieser verdammte Baumensch hat sie be schwatzt, ihm alles zu verkaufen, und jetzt haben sie die Felder plattgewalzt wie einen Pfannkuchen und stellen billige Häuser darauf.“
    „Ich weiß. Ich habe sie gesehen.“
    „Zum Glück können sie nicht weiter, weil die Farm hinter diesem Grundstück und das Land links und rechts vom Weg mir gehören. Ich hab alles gekauft, als ich Boscarva kaufte, damals, 1922. Ich sage Ihnen lieber nicht, wie wenig ich dafür zahlen mußte. Aber ein bißchen Land um einen herum gibt einem ein Gefühl der Sicherheit. Merken Sie sich das für später.“
    Ich nickte. „Das werde ich tun.“
    Er runzelte die Stirn. „Wie heißen Sie doch gleich? Ich habe es schon wieder vergessen.“
    „Rebecca.“
    „Rebecca. Und wie werden Sie mich nennen?“
    „Ich weiß nicht. Sagen Sie es.“
    „Eliot“ sagt Grenville zu mir. „Tun Sie das auch. Es klingt freundlicher.“
    „Gut.“
    Lächelnd und miteinander zufrieden tranken wir; unseren Sherry. Dann wurde irgendwo im Haus ein Gong geschlagen. Grenville stellte das Glas hin und richtete sich mühsam auf, und ich öffnete ihm die Tür. Zusammen gingen wir durch, die Diele ins Eßzimmer, zum Mittagessen im Kreis der Familie.

7
     
     
     
     
     
    A m Ende jenes langen und er eignisreichen Tages wurde ich urplötzlich, zum Unglück mitten beim Dinner, von Erschöpfung übermannt. Zu Mittag hatte es solide Hausmannskost gegeben, und wir hatten an einem runden Tisch im Erker des großen Speisezimmers gegessen. Er war mit einem karierten Tischtuch und einfachem Geschirr und Gläsern für den täglichen Gebrauch gedeckt gewesen. Das Dinner dage gen war eine ausgesprochen feierliche Angelegenheit.
    Der lange polierte Tisch in der Mitte des Raums war für uns fünf gedeckt, mit feinsten Leinensets, altem Tafelsilber und Kristallgläsern, in denen sich der Kerzenschein spiegelte.
    Offenbar war es üblich, daß sich alle für dieses Ritual, das wohl allabendlich stattfand, umzogen. Mollie kam in einem saphirblauen Brokatkleid nach unten, das ihre Augen noch leuchtender erscheinen ließen als sonst. Grenville trug ein altmo disches Dinnerjackett aus Samt und Eliot einen hellen Flanell anzug, in dem er überaus elegant wirkte. Selbst Andrea hatte, sicher unter lautem Protest, eine andere Hose und eine Bluse angezogen, die offensichtlich seit längerer Zeit weder gewaschen noch gebügelt worden war. Ihr strähniges Haar war mit einer Schleife nach hinten gebunden, ihre Miene so aggressiv und gelangweilt wie immer.
    Ich war nicht gerade häufig bei gesetzten Dinner-Parties zu Gast, hatte aber vorsichtshalber ein Kleid mitgenommen, das ich nun sicher jeden Abend würde anziehen müssen, denn ich hatte kein

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