Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stürmische Begegnung

Stürmische Begegnung

Titel: Stürmische Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
anderes. Es war ein schmalgeschnittenes Kleid aus weichem schwarzem Wolljersey mit einer silbernen Stickerei am Aus schnitt und an den Ärmeln. Dazu trug ich meine silbernen Arm reifen und die kleinen Ohrringe, die meine Mutter mir zum einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte.
    Als ich mich an den Tisch setzte, fühlte ich mich unwohl. Ich wollte nicht mit meiner neuerworbenen Familie zu Abend essen. Ich wollte keine höfliche Konversation machen, nicht zuhören, intelligent erscheinen und charmant sein müssen. Ich wollte schlafen gehen, und ich wollte, daß man mir irgend etwas Ein faches brachte, ein wenig Brühe oder ein gekochtes Ei. Vor allem wollte ich allein sein.
    Aber es gab Suppe und Ente und Rotwein. Eliot legte vor und schenkte ein. Die Ente war fett, das Zimmer überheizt. Die Zeit verging sehr langsam, und ich fühlte mich immer sonderbarer, körperlos, wie auf Wolken. Ich versuchte, mich auf die Kerzen flammen vor mir zu konzentrieren, doch während ich auf sie starrte, glitten sie auseinander und vervielfachten sich, und die Stimmen ringsum wurden unverständlich wie das Summen einer Unterhaltung aus einem anderen Zimmer. Ich schob instinktiv meinen Teller fort, wobei mein Weinglas umfiel, und sah entsetzt zu, wie die rote Flüssigkeit sich zwischen den Kristallscherben ausbreitete.
    In gewisser Hinsicht war das kleine Mißgeschick ein Segen, denn sie hörten alle auf zu reden und sahen mich an. Ich muß sehr blaß geworden sein, denn Eliot sprang sofort auf und trat zu mir.
    „Ist Ihnen nicht gut?“
    „Ich glaube nicht. Es tut mir furchtbar leid…“
    „Oh, ich bitte Sie.“ Mollie legte ihre Serviette hin und erhob sich ebenfalls. Andrea, die auf der anderen Seite des Tisches saß, beobachtete mich mit klinischem Interesse.
    „Das schöne Glas… Es tut mir so leid…“
    Grenville, der am Ende der Tafel saß, schüttelte den Kopf. „Das Glas spielt keine Rolle. Vergessen Sie es. Sie ist total er schöpft. Mollie, begleite sie doch bitte nach oben und bring sie zu Bett.“
    Ich versuchte zu protestieren, aber nicht sehr nachdrücklich. Eliot zog meinen Stuhl zurück und half mir auf die Füße. Mollie war schon an der Tür und machte sie auf, und ich spürte einen kühlen Luftzug von der Diele her. Ich fühlte mich schon etwas besser.
    „Es tut mir leid“, sagte ich – zum drittenmal –, als ich an Grenville vorbeiging. „Ich bitte um Entschuldigung. Gute Nacht.“ Ich beugte mich hinunter, gab ihm einen Kuß auf die Wange, und dann ging ich hinaus. Mollie schloß die Tür und kam mit mir nach oben. Sie half mir beim Ausziehen und ins Bett, und ich war bereits eingeschlafen, ehe sie das Licht ausgemacht hatte.
     
    Ich schlief vierzehn Stunden und erwachte um zehn Uhr mor gens. Seit Jahren hatte ich nicht mehr so lange geschlafen. Der Himmel hinter dem Fenster war strahlend blau, und die schrägen weißen Wände des Zimmers reflektierten das kalte nördliche Licht. Ich stand auf, zog einen Morgenmantel an, ging hinunter und nahm ein Bad. Als ich mich angezogen hatte, fühlte ich mich abgesehen davon, daß mir mein Benehmen am vorigen Abend peinlich war, pudelwohl. Hoffentlich hatten sie nicht gedacht, ich sei betrunken.
    Ich fand Mollie schließlich in der kleinen Speisekammer, die von der Küche abging. Sie arrangierte gerade einen großen Strauß von tiefroten und rosa Schlüsselblumen in einer bauchi gen Vase.
    „Wie haben Sie geschlafen?“ fragte sie als erstes.
    „Wie eine Tote. Ich bitte um Entschuldigung wegen gestern abend… “
    „Meine Liebe, Sie müssen todmüde gewesen sein. Es tut mir leid, daß ich es nicht vorher gemerkt habe. Sie möchten sicher frühstücken.“
    „Bitte nur einen Kaffee.“
    Sie ging mit mir in die Küche und stellte Wasser auf, während ich mir Toast machte. „Wo sind die anderen?“ fragte ich.
    „Eliot ist oben in der Werkstatt, wie immer, und Pettifer ist mit dem Wagen nach Fourbourne gefahren, um ein paar Besor gungen für Grenville zu machen.“
    „Was kann ich tun? Ich möchte mich gern irgendwie nützlich machen.“
    „Hm…“ Mollie zögerte. Ich sah sie an. Sie trug heute morgen einen karamelfarbenen Kaschmirpulli und einen schmalge schnittenen Tweedrock. Wie sie da vor mir stand, makellos ge pflegt, jedes Haar an seinem Platz, wirkte sie auf beinahe ein schüchternde Weise adrett. „Sie könnten vielleicht für mich nach Porthkerris fahren und den Fisch abholen. Der Fischhändler hat angerufen und gesagt, er habe Heilbutt

Weitere Kostenlose Bücher