Stürmische Eroberung
Wiederherstellung."
"War er denn krank?" fragte sie erstaunt.
Für einen Augenblick ließ der Captain die Maske der einstudierten Höflichkeit fahren. Ein böses Lächeln umspielte sein Lippen. "Damit meinte ich nicht seine Gesundheit."
Der leichte Ton der Unterhaltung war verflogen. Verwirrt wandte Prudence den Kopf ab und bemerkte, dass Arabella aus dem Laden getreten war und nun auf sie zukam. "Ich muss jetzt weiter."
Er machte ihr den Weg frei. "Es war mir ein Vergnügen, Sie hier zu treffen, Mademoiselle ", sagte er leise. "Und ich hoffe, wir begegnen einander recht bald wieder."
"Ja, vielleicht werden wir das ja tatsächlich. Bis dahin adieu."
Arabella war in Begleitung einer Bekannten, die sie im Laden getroffen hatte und die sie jetzt zur Kutsche begleitete. Prudence stieg in die Kabine des Wagens, legte die Pakete auf der Sitzbank ab und beobachtete durch das Fenster, wie Captain Fox davonschlenderte. Als hätte er ihren Blick gespürt, wandte er sich um und zwinkerte ihr zu.
Schließlich blieb er bei einem Mann stehen, der vor dem Gasthaus die Zügel zweier Pferde hielt. Prudence hob erstaunt die Brauen. Etwas an der Haltung dieses breitschultrigen Fremden kam ihr vertraut vor. Die beiden Männer stiegen auf, und jetzt konnte sie das Gesicht des Mannes erkennen. Ein leiser Aufschrei entfuhr ihren Lippen. Es war Will Price.
Aus einem Grund, den sie sich selbst nicht zu erklären vermochte, erzählte Prudence der Schwester nichts von diesem Erlebnis. Arabella plapperte ohnehin unaufhörlich von der alten Freundin, die sie gerade zufällig getroffen hatte, und daher entging ihr wohl, wie still die Schwester auf dem ganzen Weg bis Willow House blieb. Nicht die Begegnung mit Lucas Fox' Cousin allein machte Prudence Angst. Es war vielmehr die Tatsache, dass der Mann sich in Begleitung von Will Price befand. Woher mochten die beiden einander wohl kennen? Und warum hatte Will seine Arbeit bei Mr. Rowan verlassen? Noch etwas anderes erschien ihr rätselhaft. Captain Fox hatte sie einmal mit Prudence angesprochen. Wie hatte er ihren Namen erfahren? War sie, ohne es zu bemerken, Will Price zuvor auf dem Markt in Dorkin aufgefallen, der dann Jeffrey Fox verraten hatte, wie sie hieß?
Als sie zu Hause ankamen, war Prudence noch immer verwirrt über die Begegnung mit Captain Fox. Wie unverhohlen er sie ausgefragt hatte! Dieser Mann hatte etwas Dunkles, Unergründliches an sich, das ihr Angst machte.
Zwei Wochen nach dem Souper auf Marlden Hall hatte Prudence Geburtstag. Nach dem Frühstück schickte Arabella sie lächelnd zu den Ställen, weil dort ihr Geschenk wartete. Zunächst fand Prudence dort allerdings nur John Trimble vor, der gerade ausmistete. Als er sie erblickte, strahlte er sie fröhlich an. Dann führte er eine schöne kastanienbraune Stute mit weißer Blesse aus einer der Boxen.
Sprachlos vor Freude strich Prudence dem Tier über das seidige Fell. Dies war das schönste Pferd, das sie je gesehen hatte. Es hatte eine wunderbare lange Mähne, und in den Augen schien ein lebhaftes Leuchten zu liegen. Prudence wusste, dass es kein Traum war: Sie hatte heute Geburtstag, und das Pferd musste ihr Geschenk sein. An der Box hing außerdem noch neues Zaumzeug und ein mit purpurnem Samt ausgepolsterter hoher Damensattel.
Rasch lief Prudence zurück, um nach dem Bruder zu suchen. Er saß im Studierzimmer am Schreibtisch und beugte sich über ein großes, ledergebundenes Buch, in dem die Pachterträge aufgelistet waren. Sie lief zu ihm, ohne zu merken, dass er nicht allein war, umarmte ihn stürmisch und küsste ihn auf beide Wangen.
"Danke Thomas, tausend Dank", sagte sie dann. "Ich habe noch nie ein großartigeres Geschenk bekommen. Die Stute ist wunderschön."
"Oh ja", antwortete er lachend.
"Du hattest versprochen, mir ein Pferd zu kaufen, aber niemals hätte ich damit jetzt schon gerechnet."
"Es freut mich, dass es dir so viel Freude macht. Aber was sagst du denn zu dem feinen Zaumzeug und dem neuen Sattel? Gefallen die dir auch?"
"Ja, ganz ausgezeichnet. Ich muss unbedingt auch Arabella und Verity danken – und dann reite ich hinunter ins Dorf."
"Einen Augenblick noch, Prudence", warf Thomas ein, bevor sie hinauslaufen konnte. "Wir haben Besuch."
"Ach?" Noch immer lächelnd wandte sie sich um.
Lässig an die Wand neben dem Fenster gelehnt, stand Lucas mit verschränkten Armen da und ließ Prudence nicht aus den Augen. Die schwarzen Locken fielen ihm bis auf die Schultern, ein breiter
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