Stürmische Eroberung
gar keine Ehre, obwohl mein Sklavendasein nicht unseren westlichen Schreckensvorstellungen entsprach und nicht zu vergleichen ist mit der Sklaverei, wie sie bei uns herrscht."
"Aber gerade für einen Soldaten muss es doch ein unerträglicher Zustand gewesen sein."
"Für eine Weile diente ich mit anderen Christen als Söldner in der Armee des Islam. Mit der Zeit wurde ich zu einem der Lieblinge des Sultans und durfte mich im Palast frei bewegen. Er war noch sehr jung und hatte kaum Freunde."
"Und in Ihnen sah er einen Freund?"
"Ja, ich glaube schon."
"Weshalb ließ er sie dann nicht frei?"
"Warum sollte er? Dafür gab es keinerlei Grund. Sicher, er war mir dankbar, weil ich ihm das Leben gerettet hatte. Doch seine Selbstsucht gewann die Oberhand. Zwar ernannte er mich zu seinem Gast und bezeichnete mich nicht länger als Sklave, dennoch wusste ich, dass er mich niemals freiwillig ziehen lassen würde. Er behandelte mich mit äußerster Großzügigkeit und beschenkte mich mit Juwelen. Ich lebte in einem Teil des Palastes, wo ich ein eigenes Appartement erhielt. So wurde ich reich. Auf geheimen Wegen schmuggelte ich später Teile meines Vermögens nach Europa.
Doch trotz all dieser Gunstbezeigungen blieb ich misstrauisch und war stets auf der Hut. Mein Überleben hing allein von der Freundschaft des Sultans ab, und die würde nicht ewig währen. Zudem war mir klar, dass es nicht lange dauern konnte, bis ein eifersüchtiger Pascha meine Speisen vergiftete oder mir auf andere Art nach dem Leben trachtete."
"Wie gelang Ihnen die Flucht?"
"Ich erfuhr, dass König Charles nach England auf den Thron zurückkehren würde. Damit war der Augenblick gekommen, mich aus dem Staube zu machen. Den Fluchtweg hatte ich bereits ausgearbeitet. Eines Nachts bei Neumond verschwanden Solomon und ich aus dem Palast, ohne dass uns irgendjemand sah."
Prudence hatte keine Schwierigkeiten, sich das bildlich auszumalen. Lucas Fox konnte bestimmt schleichen wie eine Katze. "Ist Solomon Ihr Sklave?"
Gekränkt zog er die Brauen zusammen und setzte eine vorwurfsvolle Miene auf. "Er ist mein Diener, Prudence, nicht mein Sklave. Solomon bleibt aus freien Stücken bei mir. Selbstverständlich dürfte er jederzeit seinen Abschied nehmen, falls er dies wünscht."
"Aber das steht doch nicht zu erwarten?"
"Ich bezweifle es. Als ich ihm zum ersten Mal begegnete, war er gerade fünfzehn Jahre alt. Er ist grausam behandelt worden als Sklave. Ich wurde sein Beschützer und Freund. Niemals hätte ich ihn allein zurückgelassen."
Lucas fuhr fort, ihr vom Leben in Konstantinopel zu erzählen. Prudence lehnte sich zurück an den Baumstamm, schloss die Augen und versuchte sich den Sultanspalast vorzustellen mit seinem Marmor, den orientalischen Düften und Ölen, den Springbrunnen und Innenhöfen, dem Sonnenuntergang und der Blumenpracht.
"In den Parks, die Sie da beschreiben, müssen Hunderte von Gärtnern beschäftigt sein", sagte sie, als er geendet hatte.
"Fast eintausend sogar, wie ich hörte."
Sie rang nach Atem. "So viele? Lieber Himmel! Dann muss es ja ein wahrer Garten Eden sein!"
"Das stimmt zwar, nur leider kommt den Gärtnern auch eine eher finstere Rolle zu, wenn sie nicht gerade mit Pflanzen und Jäten beschäftigt sind", entgegnete er.
"Oh?"
"Sie sind auch die Henker im Sultanspalast. Wem sie mit gezücktem Schwert oder gedrehtem Tuch einen Besuch abstatteten, der war dem Tode geweiht."
"Welch schreckliche Barbarei! Wie konnten Sie es nur ertragen, so lange dort auszuharren?"
Ein sinnliches Leuchten schien in seine Augen zu treten. "Aber, Pru, ich habe dort keineswegs gelitten. Es gab auch einige Seiten des Lebens am Hofe des Sultans, die ein Mann nur genießen kann."
Er zögerte und betrachtete sie schweigend. Sie wirkte ganz gebannt von seinen Erzählungen. Doch jetzt meldete sich sein schlechtes Gewissen. Immerhin sprach er hier mit einer unschuldigen jungen Frau, die leicht zu beeindrucken war. Was wusste sie schon von der Welt? Was er ihr sonst noch aus dem Palast hätte berichten können, wäre ihr zweifellos als schwere Sünde erschienen. "Hier muss mein Bericht leider enden", erklärte er daher.
"Aber Sie können doch jetzt nicht einfach aufhören", erwiderte sie enttäuscht.
"Oh doch."
"Warum denn nur?"
Er sah ihr in die Augen und lachte leise. "Weil das, was hinter dem Tor der Glückseligkeit im Serail vor sich geht, nicht für die Ohren anständiger junger Damen bestimmt ist."
"Und was wäre das?" fragte sie
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