Stürmische Eroberung
dein Glück finden. Ach, würde dein seliger Vater noch leben! Er wäre außer sich vor Freude, weil du eine so großartige Partie machst und eure beiden Familien bald nicht nur Nachbarn, sondern sogar Verwandte sein werden!"
Eifrig nickte Prudence. "Ja, das ist wahr. Obwohl ich Lucas zuerst gar nicht wollte. Keinesfalls hatte ich vor, seiner Eitelkeit weiter Vorschub zu leisten und ihm sofort um den Hals zu fallen. Aber es war sinnlos. Er zweifelte ohnehin nicht einen Augenblick daran, dass ich früher oder später Ja sagen würde. Eigentlich wollte ich ihn viel länger hinhalten, bis ich seinen Antrag annehme, den er im Übrigen mehr als ungeschickt vorgetragen hat."
"Was meinst du mit ungeschickt?"
Rasch berichtete Prudence, wie Lucas und Thomas hinter ihrem Rücken miteinander verhandelt hatten und dass sie selbst entschlossen gewesen war, sich nicht verschachern zu lassen.
Gespannt lauschte die Tante und lachte schließlich auf. "Wahrscheinlich hat keine Frau vor dir Lord Fox je irgendwelche Schwierigkeiten gemacht. Und erst recht keine, die so jung ist wie du. Also willst du ihn nicht länger zappeln lassen?"
Prudence' Augen leuchteten auf, und sie klatschte glücklich in die Hände. "Oh nein, bestimmt nicht. Ich vermisse ihn so entsetzlich, Tante Julia, und kann es gar nicht abwarten, ihn morgen endlich wiederzusehen!"
Julia seufzte. "Jetzt bist du also erwachsen", erklärte sie dann.
Und es stimmte genau. Prudence fühlte sich auf einmal, als wäre sie neugeboren, ein ganz anderer Mensch. In jener Nacht auf Marlden Hall war das ungestüme Mädchen für immer verschwunden, das so unschuldig für Adam Lingart geschwärmt hatte.
Doch auch am nächsten Tag sollte Prudence Lucas nicht zu Gesicht bekommen. Auf dem Weg zu Mary war beinahe ein Kutschrad gebrochen. Bis man ein neues Rad gefunden und angebracht hatte und Prudence mit der Kleinen endlich in Maitland House ankam, war die Sonne bereits untergegangen.
Wieder hatte Lucas eine volle Stunde auf sie gewartet, bevor er unverrichteter Dinge aufbrach, aber er versprach, es am nächsten Tag erneut zu versuchen. Er wirkte so enttäuscht, dass er Tante Julia Leid tat. Unglücklicherweise verfiel Jane nach der Ankunft in einen ihrer Wutanfälle und verlangte jammernd nach ihrer Mutter. Da die Kleine schlicht nicht zu beruhigen war, beschlossen die Erwachsenen, dass es besser wäre, sie zurück nach Hause zu bringen. Also brachen Julia und Prudence zusammen wieder nach Bishopsgate auf.
Als sie schließlich dort ankamen, öffnete ein aufgeregtes Dienstmädchen die Tür.
"Ist alles in Ordnung?" fragte Julia ängstlich. "Wie geht es meiner Tochter?"
"Die Wehen haben vor drei Stunden eingesetzt. Ich habe unserem Herrn schon eine Nachricht ins Kontor geschickt, damit er Bescheid weiß. Und auch Mrs. Bundy, die Hebamme, ist unterrichtet, aber sie ist bisher noch nicht hier eingetroffen. Ich muss sie suchen gehen. Die Fruchtblase ist nämlich schon geplatzt."
"Ja, geh nur", wies Julia das Mädchen an. "Ich kümmere mich inzwischen selbst um Mary." Besorgt sah sie Prudence an. "Liebe Güte, hoffentlich geht alles gut."
Gemeinsam gingen die beiden Frauen hinauf, Prudence mit der kleinen Jane im Arm, die nun selig schlief. Sie brachte das Kind zu Bett und folgte der Tante dann ins Schlafzimmer, wo die Wöchnerin lag. Es roch nach Schweiß und Erbrochenem. Von Krämpfen geschüttelt hockte Mary stöhnend auf dem Geburtsstuhl. Das wirre Haar hing ihr in feuchten Strähnen um die Schultern, und sie war entsetzlich bleich.
"Dem Himmel sei Dank, du bist da, Mutter", stieß sie zwischen zwei Wehen atemlos hervor und ergriff Julias Hand. "Das Kind wird gleich kommen, das spüre ich."
Ein molliges Dienstmädchen namens Beth betupfte Mary die Stirn mit einem nach Lavendel duftenden, feuchten Tuch und raunte ihr beschwichtigend zu. Julia übernahm sofort das Regiment, während Prudence nur schweigend daneben stand. Sie war nie zuvor bei einer Geburt dabei gewesen, und was sich hier abspielte, schockierte sie. Der Geburtsstuhl erinnerte eher an ein Folterinstrument und nicht an eine Hilfe, um neues Leben auf diese Welt zu bringen! Inzwischen untersuchte Julia ihre Tochter. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass alles seinen natürlichen Verlauf nahm, musterte sie Prudence und musste lächeln, als sie deren blasses Gesicht sah.
"Schau nicht so entsetzt drein, Prudence", sagte sie freundlich. "Es ist alles bestens, was man allerdings nicht von den anderen Kindern
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