Stuermische Gefahr
den letzten anderthalb Jahren seit ihrem Verschwinden nicht mehr besucht. Andere Verwandte gab es nicht. Hannah war Krankenschwester und hatte im Regional Medical Center gelernt. Dort hatte sie vor acht Jahren Evans kennengelernt, der wegen eines Herzanfalles behandelt wurde. Sie war ihm und seinem Geld verfallen. Die beiden hatten geheiratet und dann war sie verschwunden. Wahrscheinlich war sie dahinter gekommen, was ihr Ehemann für ein Arschloch war. Vielleicht war sogar Schlimmeres zwischen ihnen vorgefallen. Barrett hätte es nicht gewundert, wenn Evans Frauen Gewalt antat. Er hatte mittlerweile alle Krankenschwestern des Regional Medical Centers abgecheckt, die Hannah kennen könnten. Eine von ihnen hatte kurz nach Hannahs Verschwinden eine E-Mail an eine Scarlett Jones in New Orleans geschickt. Danach war der Kontakt abgebrochen. Aber Scarlett Jones war schon mal ein Name, den er verfolgen konnte.
Charity Hospital, New Orleans
Mia war ihm sympathisch. Was ihr Pluspunkte eingebracht hatte, war die Tatsache, dass sie ihm einen kleinen Vorrat an Schokoriegeln zugesteckt hatte. Er liebte also Schokolade. Dank Mia hatte er das schon mal herausgefunden. Witze konnte sie auch gut erzählen.
„Wie soll ich dich nennen. John?“
„Gute Frage. John Doe ist echt peinlich. Ich kann mir ja was ausdenken.“
Sie klopfte ihm auf die Schulter. „Mann, hast du ein Glück. Du kannst deinen Namen frei wählen.“
Ob das tatsächlich Glück war, bezweifelte er. Aber es hätte schlimmer kommen können. Das hatte Mia ihm mehrfach gesagt. Er hätte auch ein sabberndes Etwas ohne Gedächtnis in einem Rollstuhl werden können. Gruseliger Gedanke.
Heute hatte er tatsächlich geschafft, allein auf die Toilette zu gehen. Super. Wie sehr man sich doch über die kleinen Dinge des Lebens freuen konnte. So sehr er auch die witzige Unterhaltung mit Mia genoss, noch mehr wünschte er sich, dass Scarlett hier sitzen würde. Er musste heute Nachmittag vorschlafen, damit er heute Nacht wach war, wenn sie Dienst hatte. „Hat Scarlett heute wieder Nachtschicht?“
Mia grinste. „Ja. S ie ist ein verdammt hübsches Ding, oder?“
Er zwinkerte Mia zu. Wie weit konnte er gehen mit seiner Befragung? Er wollte um jeden Preis mehr über Scarlett erfahren. „Sie ist sehr attraktiv. Sie ist bestimmt liiert.“
Mia schüttelte den Kopf , und ihr mächtiges Doppelkinn schwabbelte. „Nicht dass ich wüsste. Del Monte hat Interesse an ihr. Sie hat ihn abblitzen lassen.“
Del Monte war der Arzt, der ihn operiert hatte. Der Typ sah nicht schlecht aus. Arzt, gut aussehend, kultiviert, schon komisch, dass er nicht bei Scarlett landen konnte. Er machte eine Bemerkung darüber.
„Wir wundern uns auch alle. Vielleicht ist sie lesbisch, aber den Eindruck macht sie nicht.“
„Sie scheint recht still zu sein.“
„Ja, sie hat vor ungefähr einem Jahr hier angefangen. Absolut zuverlässig und freundlich zu jedem , bleibt immer für sich. Unserer Weihnachtsfeier im letzten Jahr ist sie auch fern geblieben.“ Ein Gefühl von Enttäuschung breitete sich in ihm aus. Über Mia hätte er alles über Scarlett erfahren können. Mia war redselig, Scarlett leider nicht. Und wenn Mia nichts wusste, half ihm das nicht weiter.
Mia grinste wieder. „Vielleicht hat sie ein dunkles Geheimnis.“
John musste Lächeln. „Oder sie hat auch irgendwann mal das Gedächtnis verloren.“
Mia lachte wieder laut auf. Ihr mächtiger Brustkorb vibrierte. „Das wäre ein merkwürdiger Zufall. I ch kann dir was verraten.“ Sie beugte sich ein wenig vor, sodass John automatisch tiefer zurück in die Kissen sank. „Sie hat viel Zeit bei dir am Bett verbracht. Außerhalb ihres Dienstes. Sie hat sich richtig in deinen Fall hineingekniet.“ Sie zwinkerte ihm zu.
Johns Herz setzte einen Moment aus. Er fragte sich , warum sie das getan hatte.
Mia legte ihren Zeigefinger an ihre Lippen. „ I ch hab nichts gesagt.“
„Natürlich nicht. Ich bin Amnesiepatient. Ich hab es schon wieder vergessen.“
Wieder lachte sie laut, sodass sie beide das Klopfen nicht hörten. Als Mia den Mann bemerkte stand sie auf.
„So, wenn Sie noch etwas brauchen, einfach klingeln.“
Ohne zu fragen setzte sich der Mann. Aus seiner Jacken tasche holte er einen Ausweis. „Lieutenant Limario Lopez. Mordkommission. Die Ärzte müssten mich angekündigt haben.“
John betrachtete den Mann. Er musste Ende vierzig sein. Hatte dunkles Haar ohne einen Graueinschlag. Die Haare waren
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