Stuermische Gefahr
zurück und strahlte sie an. „Lily freut sich riesig. Sie ist in einer halben Stunde hier. Wollen Sie solange ins Hinterzimmer kommen? Ich kann Ihnen Eistee anbieten.“ Das Hinterzimmer war noch vollgestopfter als der Laden selbst. In der Ecke stand ein Bett. „Wohnt Phoebe hier?“
„Ja, hier unten gibt es wenigstens eine Klimaanlage. In ihrer kleinen Wohnung über dem Laden hat sie nur einen Ventilator. Bei den Temperaturen ist das kaum auszuhalten, zumal sie Asthma hat.“
Scarlett nahm den Eistee dankend entgegen. „Sie hat mir ein Gris - gris gegeben.“
„Einfach so? Das ist merkwürdig. Sie verschenkt nie etwas.“
Zaras Augen hatten sich vor Erstaunen geweitet. Scarlett machte die Sache mit dem Gris - gris nervös. Was für eine Gefahr hatte die alte Frau gesehen , und woher hatte sie wissen können, dass sie vor einer Gefahr davongelaufen war? Sie stellte das Glas ab und kramte in ihrer Handtasche. S ie hielt den Gegenstand in die Höhe , von dem sie nicht sofort hätte sagen können, was es war.
„Das ist ein mächtiger Talisman.“ Zara betrachtete das Gris - gris. Es war ein kleines Päckchen aus Stoff, in welchem Verse eingearbeitet waren. Meist enthielten diese Stoffpäckchen noch andere Dinge wie Schlangenhaut, Hühnerfüße oder Ä hnliches. „Es soll vor bösen Geistern schützen. Wenn Sie Ihnen das gibt, dann glaubt sie ernsthaft, dass Sie in Gefahr sind.“
„Sind wir das nicht alle, wenn tatsächlich dieser Sturm kommt, von dem sie redet?“ Scarlett versuchte das Ganze nicht allzu ernst zu nehmen. Dennoch, das ungute Gefühl in ihrem Magen blieb.
Zara sah sie ernst an. „Sie sollten es behalten und immer bei sich tragen.“
„Okay.“ Ob sie das tun würde, wusste sie noch nicht. Sie glaubte nicht an solche Dinge.
„Ich muss noch ein paar Minuten vorne helfen. Machen Sie es sich bequem, meine Schwester wird gleich hier sein.“ Zara deutete auf einen kleinen Sessel.
„Danke.“ Scarlett war froh für die Sitzgelegenheit. Sie hatte weiche Knie. Das Gris - gris schien unendlich schwer und heiß in ihrer Hand zu werden. Sie ließ es wieder in ihre Tasche gleiten.
Sie ertappte sich dabei, dass sie hoffte , Phoebe habe im Laden zu tun. Die Frau war ihr etwas unheimlich. Vor allem weil sie mehr zu wissen schien, als sie selbst. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass Lily in einer Viertelstunde eintreffen würde. Länger mochte sie es hier auch nicht aushalten. Von jedem Regal starrten ihr kleine Puppen mit gruseligen Fratzen entgegen. Sie fragte sich, wie man hier überhaupt sauber machen konnte. Bücher stapelten sich auf dem Tisch, Töpfchen und Döschen mit unbekanntem Inhalt lagen verstreut herum.
Für einen Moment stockte ihr der Atem, als ihr Blick auf den Schrank rechts in der Ecke fiel. Hinter der oberen Glastür stand ein Behälter mit langbeinigen Spinnen, die zu allem Überfluss einen dicken schwarzen Körper hatten. Daneben ein Glas mit Spinnenbeinen. Sie wusste, dass Magie und Medizin hier vermischt und Salben und Tränke aus allem möglichen hergestellt wurden. Es gab auch die berühmte Penissuppe, die eine Frau ihrem Mann geben sollte, um ihn vom fremdgehen abzuhalten. Welcher Penis da benutzt wurde, wollte sie gar nicht wissen. Sie versuchte sich auf ihren Eistee zu konzen trieren, aber der schmeckte ihr nicht mehr. Endlich tauchte Lily hinter dem Vorhang auf.
Scarlett hielt ihre Freude über ihr Auftauchen nicht zurück „Gott sei Dank, Lily! Können wir hier ganz schnell ver schwinden?“
Lily lächelte. Zum ersten Mal seit sie sie kannte, erreichte das Lächeln auch ihre Augen. „Klar, hat dir die alte Hexe Angst gemacht?“ Sie wedelte mit der Hand. „Vergiss es einfach.“
Lily hakte sich bei ihr unter und führte sie aus dem Laden. Die Nähe und die Berührung eines netten Mitmenschen tat gut. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten fühlte sie sich nicht einsam. Vielleicht würde sie irgendwann wieder vertrauen können , und vielleicht könnten sie und Lily tatsächlich Freun dinnen werden.
„Hast du Hunger?“
Scarlett nickte. „Was schlägst du vor?“
„Was hältst du vom Mona - Lisa - Restaurant in der Royal Street?“
„Ich war noch nie dort.“
„Dann wird es aber Zeit.“
Sie schlenderten durch das Viertel. Nach einer Weile sagte Lily: „Ich freue mich. Ich hatte die ganze Zeit gehofft, dass wir beide mal zusammen essen könnten oder so.“
Scarlett drückte ihren Arm. Mehr Worte bedurfte es nicht. Ja, sie würden Freundinnen
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