Stuermische Gefahr
stellte sie auf den Wohnzimmertisch. Wenn er wirklich operiert worden war, dann wäre es besser, wenn er sie hätte. Warum konnte sie nicht aufhören, sich um andere zu sorgen? Dieses verdammte Helfer-Gen hatte sie in die Arme von Evans getrieben. Der starke Mann, der er eigentlich war, hatte damals hilflos und verängstigt gewirkt. Das hatte sie unglaublich angezogen. Diese Mischung aus Hilfebedürftigkeit und Härte. Und wo war sie gelandet? In der Hölle.
Verwechselte sie vielleicht Mitleid mit Liebe? Hatte sie sich nur um John/Aidan, gekümmert, weil er ihr leid getan hatte? Dann müsste es ihr jetzt leicht fallen, die Wohnung zu verlassen und die Tür hinter sich zu zuziehen. Aber sie stand immer noch im Wohnzimmer herum und starrte die Schlafzimmertür an. Nein. Sie würde nicht ins Schlafzimmer gehen und ihn zur Rede stellen. Sie musste endlich an sich denken. Sie presste ihre Handtasche an die Brust und ging zur Wohnungstür. Als sie es geschafft hatte, die Wohnung zu verlassen und die Tür hinter sich zu schließen , fühlte sie sich leer. Vollkommen leer, bis auf diesen Klumpen in ihrer Brust, den man Herz nannte. Dieses blöde Ding tat weh.
Villa von Cameron Evans, Baton Rouge
Niemand hatte ihn gestört und der angebliche Stromausfall war vorüber. Besser hätte es nicht laufen können. Trotzdem fühlte sich Barrett mies. Hatte er ihr genug Informationen gegeben? Würde sie überhaupt auf diese anonyme Telefonstimme reagieren? War es richtig gewesen , seinen Bruder zu erwähnen? Er hatte es einfach tun müssen. Vielleicht ging sie ja noch mal ins Krankenhaus , um ihm zu helfen. Aber das war unwahrscheinlich. Er an ihrer Stelle wäre sofort abgehauen. Aber einen Versuch war es wert. Gott, wie er Aidan vermisste. Er hatte es immer als selbstverständlich hingenommen, dass sein Bruder sich nach dem Tod der Eltern um ihn gekümmert hatte. Hatte er ihm jemals gedankt? Nein. Stattdessen hatte er ihn und sich in tödliche Schwierigkeiten gebracht. Was für ein beschissener Mensch war er eigentlich? Aber er war nun mal kein Held. Sein Bruder war immer der mutigere gewesen. Was hätte er jetzt an seiner Stelle getan? Er hätte sich Evans widersetzt und die Menschen und die Regierung vor dem Sturm gewarnt. „Feigling“, murmelte er.
Da das Mittagessen von Godzilla schon vor einiger Zeit serviert worden war, musste es schon später Nachmittag sein. Irgendwann würde er in diesem Raum noch einen Koller kriegen. Mittlerweile hoffte er schon darauf, dass Evans käme, nur um ein wenig Unterhaltung zu haben. Wie krank war das denn?
Seine Hoffnung erfüllte sich. Zumindest teilweise, denn der Schlüssel wurde umgedreht , und Turner trat ein. Die Glatze poliert wie immer und dieses beschissene Grinsen im Gesicht. Barrett hatte sich noch nie geprügelt, aber der Kerl hatte eine Visage zum reinschlagen.
„Wie läuft ’ s so?“
Hatten sie etwas bemerkt? Das Grinsen gefiel ihm nicht. „Wo ist der Boss?“
„Geschäftlich verhindert. Aber er hat nicht vergessen, dass du uns noch Informationen zu Hannah Evans schuldest.“
„Das ist ihre Adresse.“ Er reichte Turner den Zettel. Er hatte absichtlich nicht das Krankenhaus notiert, in dem sie arbeitete. Zufälle gab es immer wieder , und wenn sie so auf seinen Bruder stießen, war das gar nicht gut. Alles was ihn im Moment aufrecht hielt , war der Gedanke, dass er dort sicher und in guten Händen war.
„Sehr gut. Was macht der Sturm?“
„Nimmt Kurs auf Florida. Der Boss sollte sich Sorgen um seine Bohrinseln machen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er Kurs auf den Golf von Mexiko nimmt.“
Turner nickte. Er stand auf und sah Barrett an, starrte ihm direkt in die Augen. Barrett wurde fast übel. Verzweifelt hielt er dem Blick stand. Er durfte keine Schwäche zeigen.
„Du hast doch nichts mit dem kurzen Stromausfall zu tun?“
„Ich, wieso? Nein!“ Lügen war noch nie seine Stärke gewesen, aber jetzt musste er.
Turner nickte und ging. Grinsend drehte er sich noch einmal um und machte wieder diese Handbewegung. Zwei Finger zu seinen Augen und dann deutete er auf Barrett. Hatte er eben noch gedacht, dass es ihn nach Gesellschaft verlangte, war das jetzt nicht mehr so.
*
Lance war erschöpft. Er hatte hochkonzentriert gearbeitet. Erschwerend war hinzugekommen, dass er sich nicht wirklich auf das Team um sich herum hatte verlassen können, wie im Krankenhaus. Er fühlte sich vollkommen leer und ausgelaugt.
Cameron Evans ging es den
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