Stuermische Gefahr
Umständen entsprechend gut. Er war aus der Narkose erwacht, schlief jetzt wieder. Lance hatte sämtliches Gewebe entfernen können. Sie hatten ihm ein Zimmer neben dem Patientenzimmer im Keller zugewiesen.
Via Monitor konnte er Evans beobachten. Er streckte sich auf der Liege aus und betrachtete die kahlen Wände. Oben im Haus war alles pompös und luxuriös eingerichtet. Hier unten im Krankentrakt war alles auf Funktionstüchtigkeit ausge richtet. Klinisch rein sozusagen. Ein bisschen Deko hätte nicht schaden können, hier bekam man Depressionen. Nicht, dass er ein Händchen für Innendekorationen hätte, aber seine Mutter hatte stets darauf geachtet. Selbst in seinem Haus hatte sie Hand anlegen wollen, aber er hatte sie sich nicht voll ausleben lassen. Sonst hätte er jetzt wohl rosafarbene Vorhänge anstatt braune im Schlafzimmer. Und wozu brauchte er das Zeug, wenn er die meiste Zeit im Krankenhaus verbrachte?
Er starrte weiter die weiße kahle Wand an. Wozu tat er das eigentlich alles? Sicher, der Job füllte ihn aus, Hirnchirurgie war sein Leben, aber da musste es noch mehr geben. Wenn er hier raus war, musste er kürzer treten. Vielleicht würde er sogar alle schockieren und die Stelle des Klinikleiters ablehnen.
Er dachte an Scarlett. Er hatte sich vom ersten Moment an zu ihr hingezogen gefühlt, aber irgendetwas stimmte nicht mir ihr. Er schloss die Augen und sah Rosa vor sich. Wo man sie hingebracht hatte, wusste er nicht. Sie war äußerlich das totale Gegenteil von Scarlett. In Scarletts warmen braunen Augen hatten immer Misstrauen und Abwehr gestanden. Er hatte es aufgegeben , um sie zu werben. Rosas schwarze Augen waren hart. Aber da musste ein weicher Kern sein. Warum dachte er nur ständig an sie?
Er stand auf. Sollte er sie suchen und nach ihr sehen? Er war schließlich kein Gefangener hier. Andererseits wäre es besser hierzubleiben, denn Evans war noch nicht ganz über dem Berg.
„Scheiß drauf.“
Er öffnete die Tür. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn sie abgeschlossen gewesen wäre. Evans und seinen Handlangern war alles zuzutrauen. Während er den Gang entlangging, dachte er über Evans nach. In der Öffentlichkeit präsentierte er sich als großzügiger Sohn Louisiana s . Besuchte regelmäßig Waisenhäuser und spendete jede Menge Geld. Seine politischen Ambitionen waren kein Geheimnis. Angeblich war er mal verheiratet gewesen, aber seine Frau war nie fotografiert worden. Geschieden war er nicht, aber was aus der Frau geworden war, wusste Lance nicht. Er traute dem Kerl das Schlimmste zu. Der Mann war ihm zuwider.
Entweder größenwahnsinnig oder er hatte Dreck am Stecken, was ihn zu der Frage führte, was er eigentlich hier war. Ein Entführter? Ein Gefangener? Ein Leibeigener? Was auch immer, ihm gefiel das Ganze nicht , und wenn es keine Komplikationen gab, würde er morgen den Fall Evans an dessen Arzt übergeben. Er hatte ihn operiert und damit alle Bedingungen erfüllt. Die Frage war nur, was war mit Rosa los? Hatte er sich die Verbindung zu ihr im OP nur eingebildet? Den Hass in ihren Augen? Er würde erst von hier ver schwinden, wenn er das herausgefunden hatte.
Das Haus war riesig. Zu viele Flure, zu viele Zimmer. Er hielt Ausschau nach Kameras. Falls welche installiert waren, waren sie gut versteckt. Alles war mit Gemälden verziert , und wenn ihn sein Kunstsachverstand nicht trog, waren das alles Originale. Dann war also Evans einer der anonymen Käufer, die Wahnsinnssummen bei Auktionen ausgaben. Das passte.
Er konnte schlecht alle Türen öffnen , um Rosa zu finden. Wo könnte er sie untergebracht haben? Sicher im Trakt, wo die anderen Angestellten wohnten. Er musste eine Menge Personal haben. Immer noch war ihm niemand begegnet. Oder beobachtete man ihn doch durch Kameras? Er war vom Keller aus ins Erdgeschoss gegangen. Dort hatte er schon bei seiner Ankunft eine riesige Küche gesehen. Niemand da. Die Küche war verwaist. Er bog rechts in einen Flur ab und lauschte an den Türen. Nirgendwo Zeichen von Leben. Fast gespenstisch, als wäre das ganze Haus mit Evans in einen tiefen Schlaf gesunken. In der ersten Etage waren sicher die Schlafzimmer. Dort hörte er endlich et was. In einer der Türen steckte ein Schlüssel. Merkwürdig. Seine Neugier war geweckt, er schloss auf und betrat den Raum.
Ein junger Mann saß vor einer Ansammlung von Schreib tischen und Rechnern. Er starrte ihn erschrocken an, schaute dann auf den Spiegel hinter sich. Lance folgte seinem Blick,
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