Stürmische Liebe in Cornwall
den Weg ins Dorf. Sie wusste nicht, ob sie vor Lord Marlbecks Besuch zurück sein würde, doch das spielte auch keine Rolle. Sie hatten einander wohl nichts zu sagen, denn sonst hätte er nicht ihrer Schwester, sondern ihr persönlich gesagt, dass er vorzusprechen beabsichtigte.
Drew saß seit zwanzig Minuten im Salon von Sawlebridge House, wo Mrs. Horne und Lucy ihm Gesellschaft leisteten. Auf ihre Nachfrage erläuterte er, dass Mr. Hambleton – unter welchem Namen der Verräter hier bekannt war – immer noch auf freiem Fuß war.
„Das macht mir Kummer“, sagte Mrs. Horne. „Ob ich Marianne wohl von ihrem Gang ins Dorf hätte abhalten sollen? Hoffentlich ist ihr nichts geschehen. Sie ist schon seit über einer Stunde fort, was an sich natürlich kein Grund zur Besorgnis ist, denn sie macht gern lange Spaziergänge.“
„So hörte ich“, antwortete Drew. „Soweit ich weiß, sind wir Nachbarn? Sie bewohnen das Pfarrhaus in der Nähe meines Besitzes, nicht wahr?“
„Nicht mehr“, erklärte Mrs. Horne. „Sehen Sie, mein Mann verstarb vor einem Jahr, danach bot mein Schwager uns Unterkunft. Von nun an werden wir jedoch hier bei meiner Tante leben. Allerdings reisen wir in zwei Tagen zu einem kurzen Besuch nach Bath; in drei Wochen, denke ich, werden wir wieder zurück sein.“
„Oh, ich nahm an, Sie würden hier nur wenige Wochen weilen. Ich hatte gehofft, Sie nach ihrer Rückkehr aus Cornwall aufsuchen zu dürfen … nun denn …“
„Werden Sie selbst längere Zeit hier am Ort bleiben, Mylord?“
„Ich habe noch keine festen Pläne. Da ist die Verwaltung meines Besitzes … Dann ist da noch dieser Schurke Hambleton, diese Sache sähe ich gerne erledigt.“
„Ja, bestimmt wäre uns allen wohler, wenn er erst hinter Schloss und Riegel wäre.“
„Wahrhaftig“, stimmte Drew zu. „Hoffen wir, dass es bald so weit ist. Nun darf ich Sie aber nicht länger aufhalten. Bitte richten Sie Marianne aus, dass ich enttäuscht war, sie nicht angetroffen zu haben.“
„Sie macht eine Besorgung für Lady Edgeworthy. Bestimmt hätte sie das verschoben, wenn sie von Ihrem Kommen gewusst hätte.“
„Aber sie wusste es“, warf Lucy ein, die bisher bescheiden geschwiegen hatte. „Ich habe es ihr nämlich gesagt.“
„Lucy!“, rügte Mrs. Horne. „Sie muss dich falsch verstanden haben. Nicht um die Welt wäre sie so unhöflich.“
„Es macht nichts“, erklärte Drew. „Da auch ich lange Spaziergänge liebe, werden wir einander zweifellos in den nächsten Tagen noch begegnen.“
Er verabschiedete sich in dem Bewusstsein, dass Marianne lieber ausgegangen war, als ihn zu empfangen, und vielleicht konnte er es ihr nicht einmal übel nehmen. Vermutlich war es sowieso besser, es so und hier enden zu lassen. Seine Gefühle waren gespalten; einerseits wollte er hier im Garten auf ihre Rückkehr warten, weil er sich danach sehnte, sie zu umarmen und zu küssen, bis sie sich, wie schon einmal, hingebungsvoll an ihn schmiegte. Keine andere Frau hatte je dieses drängende Verlangen in ihm geweckt. Andererseits schien diese Liebe unter einem Unstern zu stehen, denn er war Mariannes nicht wert, und schon jetzt wusste er, dass er ihr mit seiner Rastlosigkeit nur Leid bescheren konnte. Zur Hölle auch! Er konnte nicht einfach verschwinden, ohne sie nicht wenigstens noch einmal gesehen zu haben!
Obwohl er zurück zum Cliff-Cottage gehen wollte, lenkte er seine Schritte unbewusst in eine andere Richtung und wandte sich dem Rhododendronhain zu.
Marianne sah Drew auf sich zukommen. Rasch wickelte sie sich fester in ihren Schal, denn sie zitterte ein wenig und wollte nicht, dass er glaubte, es sei seinetwegen. Sie hatte ihre Heimkehr hinausgezögert, weil sie ungestört nachdenken wollte. Nun machte sie keine Anstalten, ihm auszuweichen. Wenn denn noch etwas zu sagen war, sollte es wenigstens nicht unter den Blicken ihrer Familie geschehen, damit sie sich nicht gezwungen sah, Gleichgültigkeit vorschützen zu müssen. Ja, besser, es jetzt durchzustehen und endlich seine Absichten zu kennen.
„Deine Mutter sagte, du seiest ins Dorf gegangen, aber ich dachte, ich könnte dich vielleicht hier finden.“ Er sah sie anklagend an. „Warum bist du ausgegangen, obwohl du von meinem Kommen wusstest?“
„Meine Tante bat mich, etwas für sie zu erledigen“, erwiderte sie trotzig. „Gewiss wurden Sie doch von Mama und Lucy empfangen. Ich nahm nicht an, dass Sie speziell mit mir zu sprechen wünschten, Sir – andernfalls
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