Stürmische Verlobung
Hier bleibe ich nicht einen Moment länger.«
Eliza folgte ihr bereitwillig, zu verwirrt, um etwas anderes zu tun.
Die vier Frauen traten in die Nacht hinaus. Der Diener der Feathertons kam herbeigelaufen. Tante Letitia klatschte ihm ihre Geldbörse in die Hand, flüsterte ihm etwas zu und schickte ihn seiner Wege.
Der Diener vergeudete keine Zeit. Er sauste die Straße hinunter und schüttelte dabei den Inhalt des Geldbeutels auf seine Handfläche. Er rief in alle Richtungen und warf Guineen in die eilig ausgestreckten Hände der umstehenden Kutscher. Begleitet vom Ächzen rangierender Wagen und dem Wiehern und Hufgetrappel der edlen Gespanne gelang es den Kutschern, all die eleganten Karossen auf die eine Seite der Straße zu manövrieren, so dass der Wagen der Feathertons gerade eben genug Platz hatte, um sich an ihnen vorbeizuzwängen.
An der Tür und den Fenstern der Cowper’schen Residenz drängelte sich Londons vornehme Gesellschaft rempelnd und keifend wie eine Horde Fischweiber am Markttag - und alles nur, um einen Blick auf sie zu erhaschen.
Das war doch alles Wahnsinn. Eliza hob flehend ihre Hände. »Würde mir bitte jemand erzählen, was hier geschieht? Was habe ich getan?«
»Gleich, Liebes. Steig ein.« Tante Letitia schubste Eliza in die Kutsche, dann kletterte sie selbst hinein. Grace und Tante Viola folgten ihnen eilig.
Eliza starrte fassungslos aus dem Verschlagfenster, während sich die Kutsche mit einem mächtigen Ruck in Bewegung setzte. Dann sah sie plötzlich voller Verwunderung, wie sich Lord Hawksmoor durch die Traube von Ballgästen zwängte, die in der Haustür standen.
»Grace!«, rief er. »Grace, komm zurück …«
Eliza sah in die weit aufgerissenen, tränennassen Augen ihrer Schwester, während Hawksmoors flehentliche Rufe vom rumpelnden Knirschen der Wagenräder auf dem Kopfsteinpflaster verschluckt wurden.
Eliza legte ihren Arm um Grace und drückte sie an sich. »Na, na, es wird schon alles wieder gut.«
»Nein, nichts wird gut. Ich bin ruiniert«, schluchzte Grace.
Eliza sah zu Tante Letitia. Die Dinge hatten eine schreckliche Wendung genommen, und sie war der Grund dafür. »Bitte, Tantchen, was ist passiert?«
Tante Letitia setzte zaudernd zu einer Erklärung an: »Allem Anschein nach wurde heute Abend ein Gerücht verbreitet - dass du das, was dir am teuersten war, für Lord Somerton verkauft hättest.«
»Meine Gemälde, meinst du?«
»Selbstverständlich, Mädchen. Wir wissen das. Aber so wurde das Gerücht geboren. Das Bedauerlichste daran ist, dass, als das Gerücht schließlich an Lady Hawksmoors Ohren drang, aus dem Teuersten irgendwie deine Gunst geworden war.«
Eliza schluckte schwer. Bezichtigte man sie tatsächlich, ihren Körper verkauft zu haben? »Aber Lady Hawksmoor kann doch wohl nicht solch dummes Geschwätz glauben?«, stammelte Eliza ungläubig.
Tante Viola sah sie traurig an. »Meine Liebe, die vornehme Gesellschaft liebt nichts mehr als pikanten Tratsch. Sie glauben selbst die schändlichsten Unterstellungen, wenn es sie amüsiert.«
»Das ist unglaublich.« Eliza saß reglos da, noch immer ihre schluchzende Schwester im Arm, und starrte blind aus dem Wagenfenster. Sie war wie betäubt.
Grace hob den Kopf. »Lady Hawksmoor hat verlangt, dass ihr Sohn sein Eheversprechen zurücknimmt.«
Eliza sah ihre Schwester bestürzt an. Das konnte doch alles nicht wahr sein!
Tante Viola streckte die Hand aus und tätschelte tröstend Graces Arm. »Hawksmoor ist ein guter Mann. Er wird sich nicht darum scheren, was heute Abend passiert ist. Er wird dir noch einen feinen Gatten abgeben. Du wirst schon sehen.«
Grace schniefte lautstark, dann verzogen sich ihre Mundwinkel zu einem zaghaften Lächeln. »Das hoffe ich.«
Eliza kniff fest die Augen zusammen und betete, dass sie alsbald aufwachen und feststellen würde, dass alles nur ein böser Traum war.
Regel neunzehn
Um ihn erfolgreich zu umzingeln, muss man ihm einen Fluchtweg lassen.
Magnus ließ seine Gerte durch die windstille Luft sausen und köpfte eine hochaufragende Brennnessel. Er schaute zu, wie sie mit einem erstaunlich lauten Platschen in das sanft gekräuselte grüne Wasser des Serpentine-Sees fiel. Als das seine Wut nicht abzukühlen vermochte, fiel er über den Stängel her, der die Frechheit besessen hatte, seinem abgeschlagenen Kopf nicht ins Wasser zu folgen.
Die Luft war an diesem Tag ungewöhnlich schwül, und Magnus fühlte bereits nach dieser kleinen Anstrengung, wie sich
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