Stürmische Verlobung
nämlich wissen, dass Lord Somerton heute um Carolines Hand angehalten hat.« Ein perfides Lächeln kräuselte ihre schmalen Lippen, während sie ihre giftigen Worte wie einen Dolch in Elizas Herz stieß. »Lord Somerton und meine Tochter werden per eigens erteilter Heiratserlaubnis in nicht einmal zwei Tagen vor den Traualtar treten.«
Ein eisiger Schauder ließ Eliza frösteln. Wenn sie nicht auf der Stelle ihr Heil in der Flucht suchte, würde sie vor der versammelten Ballgesellschaft in Tränen ausbrechen.
»Bitte entschuldigen Sie mich …«, murmelte sie und eilte bereits auf die Tür zu.
»Eliza, warten Sie!«, hörte sie Magnus rufen. Sie warf einen Blick über ihre Schulter und sah zu ihrer Bestürzung, dass er ihr folgte.
Wenigstens ein Dutzend Gäste waren zwischen ihnen, und einen Moment lang konnte sie Magnus nicht sehen. Das war ihre Chance, ihm zu entkommen, entschied sie. Ihre einzige Chance.
Statt durch die offene Tür nach draußen zu flüchten, lief sie die geschwungene Treppe hinauf, um im Damenzimmer Zuflucht zu suchen. Als sie fast den Kopf der Treppe erreicht hatte, blieb sie stehen und spähte gerade rechtzeitig durch das Geländer, um zu sehen, wie Magnus durch die Haustür in die Nacht hinausstürmte.
Fünf Minuten vor Mitternacht kam Eliza wieder aus dem Damenzimmer heraus. Nachdem sie sich wieder hinlänglich gefasst hatte, musste sie ihre Tanten finden und umgehend das Fest verlassen. Eliza schaute sich im Saal um in der Hoffnung, irgendwo ihre purpurnen Gewänder aufblitzen zu sehen.
Sie musste sich beeilen. Die Verlobung von Grace und Lord Hawksmoor würde Schlag Mitternacht bekanntgegeben werden. Und wenn Magnus seinen Irrtum erkannt hatte und zurückgekehrt war, würde er herausfinden, dass ihr angebliches Verlöbnis nichts weiter war als eine riesige Lüge.
Nun, sie wollte nicht zugegen sein, wenn das geschah. Sie musste auf der Stelle das Fest verlassen. Bevor es zu spät war.
Ihr Blick schweifte suchend durch den Saal, bis sie endlich Tante Violas hoch aufgetürmte Frisur entdeckte. Ihre Tante stand inmitten einer kleinen Gruppe von Ladys vor einem der Fenster zur Straße, doch selbst aus dieser Entfernung konnte Eliza erkennen, dass etwas nicht stimmte. Etwas Schreckliches musste vorgefallen sein.
Die sonst so heitere Miene ihrer Tante war verkniffen und von Sorge gezeichnet. Neben ihr stand Tante Letitia, deren Wangen vor Wut feuerrot leuchteten.
Eliza eilte zu ihnen hinüber. Als sie näher herankam, sah sie, dass es sich bei den Damen neben ihren Tanten um niemand anderen als Lady Cowper, Lady Hawksmoor und Grace handelte. Die Augen ihrer Schwester waren weit aufgerissen, und ihre Lippen zitterten.
Teufel auch! Was ging hier vor ?
Mit einem Mal erkannte Eliza, dass nicht nur alle Augen im Saal auf sie gerichtet waren, sondern auch, dass alle Unterhaltungen verstummten. Sie tastete eilig ihre Wangen ab. Nein, keine ungebetenen Tränen. Sie schaute prüfend auf ihr Kleid. Alles ordentlich und an seinem Platz. Und doch starrten die Leute sie schweigend an!
Wie sonderbar . Aus irgendeinem unerklärlichen Grunde stand sie im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Das verhieß nichts Gutes, entschied sie, und ein banger Schauder lief ihr über den Rücken.
Nichtsdestotrotz ging sie weiter auf ihre Familie zu und lächelte dabei jene, die sie so unverfroren anstarrten, schüchtern und verhalten an. Wie gern sie sich auf Zehenspitzen davongeschlichen hätte oder kopfüber aus dem Fenster gesprungen wäre - sie hätte alles getan, solange sie damit nur dieser stummen Musterung entkommen könnte.
Grace hatte ihre Hände sehr undamenhaft in die Hüften gestemmt, und als Eliza hinter sie trat, schwoll die Lautstärke ihrer schneidenden Stimme an. »Sie hat nichts Unrechtes getan. Ich stehe zu meiner Schwester - komme, was wolle!«
Lady Hawksmoor bemerkte Eliza und rümpfte verächtlich die Nase. »Gott sei Dank ist die Verlobung noch nicht bekanntgegeben worden. Niemand wird je erfahren, dass der
gute Ruf unserer Familie beinahe von diesem Skandal besudelt worden wäre.«
Lady Hawksmoor schenkte Eliza einen eisigen Blick und kehrte ihr den Rücken. Lady Cowper folgte ihrem Beispiel und drehte sich mit rauschenden Röcken um.
Sie hatten sie vor aller Augen geschnitten!
Grace stieß einen entsetzten Laut aus, doch als die Empörung über den Affront nachließ, reckte sie stolz ihr Kinn hoch, als wäre sie Königin Charlotte höchstpersönlich. »Eliza, Tantchen, kommt.
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