Stürmische Verlobung
Schweiß auf seinem Rücken bildete. Wo zum Teufel bleibt sie nur ?, fragte er sich, während er unversöhnt eine weitere Brennnessel enthauptete.
Er musste unbedingt vor ihrer morgigen Heirat mit ihr sprechen, und zwar allein. Er hatte heimlich mit Caroline verabredet, dass sie sich hier an dem künstlichen See im Hyde Park treffen würden, denn er war überzeugt, dass ihre Eltern ihm nicht gestatten würden, ihre Tochter so kurz vor der Hochzeit allein zu sprechen.
Nein, sie hatten zu hart daran gearbeitet, Caroline mit einem Angehörigen des Hochadels zu verkuppeln. Waren, wie Magnus glaubte, sogar so weit gegangen, die Schuldscheine seines Bruders aufzukaufen, in dem heimtückischen Bestreben, ihn unentrinnbar in ihre Gewalt zu bringen. Und es war
ihnen gelungen. Sie hatten ihm einen Heiratsantrag für ihre Tochter abgepresst.
Jetzt, da endlich alles nach den Wünschen der Peacocks verlief, konnten sie nicht riskieren, Magnus auch nur einen Augenblick lang mit Caroline allein zu lassen - einen Augenblick, den er vielleicht nutzen könnte, um sich aus den Fesseln seines Verlöbnisses zu befreien.
Doch genau das hatte Magnus an diesem Nachmittag vor. Bevor es zu spät war. Er musste Caroline überreden, die Hochzeit abzusagen, musste sie dazu bringen, von ihrer Seite aus die Verlobung zu lösen, um dem sicheren Ruin zu entgehen.
Denn wie konnte er eine andere als Eliza heiraten, nachdem sie ihre Gemälde, ihre Träume, ihr Herz und ihre Seele für ihn verkauft hatte? Sie hatte all ihre Hoffnungen fahren lassen, nur um ihm zu helfen, Somertons treue Pachtbauern zu retten. Ahnte sie, wie viel ihm das bedeutete? Wie sehr es ihn rührte?
Obgleich sie ihre Gefühle für ihn vehement abstritt, hatte Elizas selbstloses Opfer Magnus Liebe und Hingabe von solcher Tiefe offenbart, wie er sie in seinem ganzen Leben noch nicht kennen gelernt hatte. Eine Liebe, die so gewaltig war, dass es ihm schier das Herz zerriss. Wie konnte sie einen anderen heiraten? Wie konnte er es?
In dem Moment, als Eliza vom Ball fortgelaufen war, nachdem sie von seiner Verlobung erfahren hatte, hatte Magnus die Unaufrichtigkeit seiner Entscheidung, Caroline zu heiraten, erkannt. Es war falsch, egal, wie vernünftig es erschien. Falsch für sie alle beide.
Doch heute würde er seinen Fehler korrigieren und seine Verlobung mit Miss Peacock lösen. Wenn es möglich war. Wenn Caroline, wie er vermutete, hinsichtlich ihrer bevorstehenden Heirat ebenso zwiespältige Gefühle hatte.
Denn obwohl er und Miss Peacock erst sehr kurze Zeit verlobt
waren, war Magnus doch nicht der stetig suchende Blick des Mädchens entgangen, wenn sie sich auf Bällen oder anderen Festlichkeiten befand. Es war sehr gut möglich, dass ihr Herz einem anderen gehörte, und dass sie Magnus’ Heiratsantrag nur auf strikte Anweisung ihrer Eltern hin angenommen hatte, denen eindeutig mehr an einem Titel denn am Glück ihrer Tochter gelegen war.
Eine schwarze Kutsche hielt in einiger Entfernung auf der Rotten Row. Caroline Peacock und ihre zierliche Zofe stiegen aus.
Caroline löste die safrangelben Schleifenbänder ihres modischen Hutes und nahm ihn ab, während sie über den leuchtend grünen Rasen auf Magnus zukam. Sie blieb kurz stehen, reichte den Hut ihrer Zofe und gab der Frau offenkundig Anweisung, ein paar Meter Abstand zu halten, damit sie ungestört mit Magnus sprechen konnte.
Dann trat sie zu ihm, und ihr Lächeln war so strahlend wie die Sonne. Doch Miss Peacocks angebliche Freude darüber, ihn zu sehen, reichte nicht bis zu ihren Augen, und Magnus war mehr denn je überzeugt, dass er mit seinem Verdacht recht hatte.
»Lord Somerton, wie schön, Sie zu sehen.«
Er verbeugte sich, doch bevor er etwas sagen konnte, ergriff Miss Peacock abermals das Wort.
»Mylord, warum haben Sie mich gebeten, mich heimlich mit Ihnen zu treffen? Wenn meine Eltern davon erfahren sollten, wären sie sehr ungehalten, wie Ihnen zweifellos bewusst ist. Schließlich ist morgen die Hochzeit.«
»Ja«, pflichtete Magnus bei. »Und genau deshalb muss ich heute mit Ihnen sprechen.« Er bot ihr seinen Arm, und sie hakte sich höflich bei ihm unter, als sie ihren Spaziergang um den Serpentine-See begannen.
Während sie den Fußweg entlangschlenderten, schaute Caroline
immer wieder nervös zu ihrer Kutsche zurück, so als wünsche sie sich, sie säße wieder darin und wäre auf dem Weg nach Hause. Magnus wünschte sich das ebenfalls, und auch, dass das, was er jetzt tun musste, nichts
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