Stürmische Verlobung
sich unweigerlich kreuzen. Selbst wenn ich ihn meiden wollte, könnte ich es nicht. Wir bewegen uns in denselben Kreisen.«
Ihre Schwester starrte sie teilnahmslos an. »Alles nur Ausreden, damit du dich weiter mit ihm treffen kannst.«
»Ich stelle nur die Tatsachen fest.« Eliza bestrich ihre Scheibe getoastetes Brot dick mit Butter. »Es ist unmöglich, ihn zu meiden, besonders da ich eingewilligt habe, Lord Somertons Porträt zu malen. Ich muss meine Hälfte unserer Abmachung erfüllen und das Porträt vollenden.«
Grace schenkte sich heiße Schokolade nach und sah Eliza dann mit bohrendem Blick an. »Wenn du unbedingt sein Porträt malen musst, dann tu es. Aber tue es, wenn und wo die wachsamen Augen unserer Tanten alle Unschicklichkeiten seinerseits unterbinden können.«
Es ist nicht er, der mir Sorgen macht , dachte Eliza bangend bei sich.
»Guten Morgen, Mädchen«, rief Tante Letitia, als sie in das Esszimmer kam. Sie beugte sich vor und hauchte ihren Nichten mit ihren schmalen Lippen einen Kuss auf die Wangen, dann ließ sie sich Eliza gegenüber auf einen Stuhl sinken. Tante Letitia hatte noch kaum ihren Finger gehoben und Mrs. Penny um Weidenrindenpulver für ihr schreckliches Kopfweh gebeten, als Tante Viola, ihre linke Hand schützend über ihre Augen gelegt, blind ins Esszimmer stolperte.
Sie tastete sich um den Tisch herum und kippte dabei sehr zu Mrs. Pennys Verärgerung ein Glas mit Stachelbeermarmelade über dem gestärkten weißen Leinentischtuch aus.
Sobald sie den leeren Stuhl neben Grace gefunden hatte, nahm Tante Viola zögernd ihre Hand von den Augen. Die Morgensonne ließ sie aufstöhnen, und sie kniff eilig die Augen zu. »Wären Sie wohl so freundlich, die Vorhänge zuzuziehen, Mrs. Penny? Die Sonne scheint heute ausgesprochen grell.«
Eliza erlaubte sich ein Schmunzeln. Wie es aussah, litten ihre beiden Tanten an den Nachwirkungen von zu vielen Gläsern Likör am Abend zuvor.
Nachdem die Vorhänge zugezogen waren, und Tante Viola wieder imstande war, ihre Augen zu öffnen, vergeudeten beide Tanten keine Zeit und machten sich sogleich an die eingehende Beurteilung von Elizas müder Erscheinung.
»Himmel, schau dir nur diese Augen an. Hast du gestern Nacht nicht gut geschlafen?« Tante Letitia machte ein angestrengtes
Gesicht, während sie behutsam ihre Teetasse an die Lippen hob.
»Ich bezweifle, dass ich auch nur ein Auge zugemacht hätte, wenn ein so schmucker Gentleman wie Lord Somerton ein Auge auf mich geworfen hätte«, bemerkte Tante Viola und zwinkerte Letitia zu. Sie war die Einzige, die über ihren müden Scherz schallend lachte, bis ihre heftigen Kopfbewegungen sie vor Schmerz zusammenzucken ließen. Sie presste sich die Finger gegen die Schläfen und begann, diese heftig zu massieren.
»Ich habe nicht viel Schlaf bekommen«, erwiderte Eliza ausdruckslos.
»Ach? Der Likör hat dir keinen gesunden Schlummer beschert? Ich habe wie ein Murmeltier geschlafen«, gestand Tante Letitia.
»Ja, das weiß ich wohl.« Eliza holte tief Luft und versuchte, ihren Zorn zu zügeln. »Und das genau ist der Grund dafür, weshalb ich die Nacht eingesperrt mit Lord Somerton im Musikzimmer verbracht habe.«
Tante Letitia und Tante Viola tauschten verschwörerische Blicke aus. »Oje«, entfuhr es ihr, und sie hob verlegen die Finger an ihre Lippen.
Tante Viola zog ihre Augenbrauen hoch. »Ich dachte, du hättest gesagt, du würdest die Tür wieder aufschließen, Letitia?«
»Nein, Edgar hat dir den Schlüssel gegeben.«
»Und ich habe ihn dir gegeben, Schwester.«
»Hört auf!«, kreischte Grace und sprang von ihrem Stuhl auf. »Es spielt jetzt keine Rolle mehr. Der springende Punkt ist, dass Eliza den größten Teil der Nacht …«, ihre Stimme wurde zu einem Flüstern, »… mit einem Junggesellen allein war.«
Bevor die Anklage noch ganz über Graces Lippen war, begannen Tante Violas Lider zu zucken. » E-es überkommt
mich …« Ihr Kopf fiel nach vorn und landete mit einem dumpfen Scheppern auf ihrem Teller, wo der Aufprall zum Glück von einem kleinen Stapel getoasteten Brots mit Marmelade gedämpft wurde.
»Tantchen!«, rief Eliza aus.
»Ach, beruhig dich, Eliza.« Tante Letitia erhob sich und setzte ihre Schwester aufrecht hin. »Siehst du, Schwester geht es gut.« Ganz nach Art einer guten Mutter, befeuchtete sie eine Serviette mit ihrer Zunge und wischte die Reste der Stachelbeermarmelade von Violas Kinn.
Sobald Tante Letitia sich wieder gesetzt hatte, schlug Grace
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