Stürmische Verlobung
sich auf und bemerkte, dass sie noch immer das Promenadenkleid trug, das sie in den Vauxhall Gardens angehabt hatte. Dann dämmerte es ihr. »Oh ja, er hat gestern Nacht mit dem Obstmesser das Schloss geknackt und uns aus dem Musikzimmer befreit.«
Grace starrte sie verständnislos an. »Ihr wart im Musikzimmer eingeschlossen?«
»Unsere Tanten haben uns einschließen lassen, und dann haben sie uns ganz vergessen. Sie hatten etwas zu viel Likör, vermute ich.«
»Willst du damit sagen, dass du fast die ganze Nacht in dem Musikzimmer eingesperrt warst - mit einem Junggesellen ?« Sie schlug entsetzt die Hände vors Gesicht. »Gott stehe uns bei, Schwester, wenn davon jemals jemand erfährt.«
»Niemand wird davon erfahren - solange du es nicht ausplauderst.« Eliza ging in Gedanken noch einmal den vergangenen Abend durch. Es dauerte nicht lange, bis sie sich an
Magnus’ berauschenden Kuss in den von Mondlicht beschienenen Vauxhall Gardens und dann an den zweiten im Musikzimmer erinnerte. Ihre Wangen brannten feuerrot.
»Was grinst du denn so?« Grace kam näher heran und musterte Elizas Gesicht. »Du bist ja ganz rot geworden!« Ihr stockte der Atem. »Was ist im Musikzimmer passiert, Eliza? Er hat doch nicht etwa versucht, dich zu küssen, oder?«
Eliza wich dem forschenden Blick ihrer Schwester aus.
»Du brauchst gar nichts zu sagen. Er hat es versucht!« Grace riss Eliza die Bettdecke weg, dann sprang sie auf, lief zur anderen Seite des Bettes und packte ihre Schwester grob bei den Schultern. »Antworte mir!«
»Ja! Ja, er hat mich geküsst. Bist du jetzt zufrieden? Er hat mich auf dem Dark Walk in den Vauxhall Gardens geküsst, und dann noch einmal im Musikzimmer.«
Grace richtete sich langsam auf. Sie schlug sich die Hand vor den Mund, während sie rückwärtstaumelte und sich in die Polster eines Sessels sinken ließ. »Auf dem Dark Walk ? Einfach skandalös. Dir passieren aber auch immer solche Sachen, Eliza. Unsere Familie ist ruiniert.«
»Wir sind nicht ruiniert. Niemand hat Lord Somerton und mich gesehen«, sagte sie und fügte dann verhaltener hinzu, »soweit ich weiß.«
Grace riss entsetzt ihre Augen auf. »Aber du weißt es nicht mit Gewissheit? Oje . Was sollen wir jetzt machen?«
Ihre Schwester trommelte mit ihren Fingern gegen ihre Unterlippe, bis ihr Verstand die einzig logische Lösung fand - zumindest in Graces Gedankenwelt. »Ich hab’s«, rief sie aus. »Niemand könnte es dir allzu übel nehmen, wenn du deinen Verlobten küsst.«
»Was redest du denn da, Grace?«
»Du musst Lord Somerton heiraten.«
»Was? Bist du verrückt geworden?«
»Es ist der einzige Weg. Falls man dich dabei beobachtet hat, wie du Lord Somerton geküsst hast, und ihr nicht eure Verlobung bekannt gebt, dann habe ich keinerlei Hoffnung mehr auf eine gute Partie. Ebenso wenig wie unsere Schwester Meredith. Du hast uns alle mit deinem Ungestüm ruiniert.«
Eliza schaute auf die Bettdecke und zeichnete mit dem Zeigefinger geistesabwesend das Webmuster nach. »Es tut mir leid.« Sie hob den Blick und sah ihrer Schwester eindringlich in die Augen. »Aber ich kann Lord Somerton nicht heiraten.«
Grace sprang auf. »Warum nicht? Du empfindest ganz offensichtlich etwas für den Mann, sonst hättest du nicht zugelassen, dass er dich küsst .«
Eliza raufte sich die Haare. »Ja, ich gebe es zu. Ich hege eine gewisse … Zuneigung für ihn.«
»Warum willst du ihn dann nicht heiraten? Ist es wegen deiner Träume, Künstlerin zu werden? Nun, das hättest du dir überlegen sollen, bevor sich seine Lippen heiß auf die deinen pressten.«
Die Worte ihrer Schwester trafen Eliza wie ein Stich ins Herz. Sie ließ den Kopf hängen. »Darum geht es nicht, Grace.«
»Worum geht es dann?«
» Er kann mich nicht heiraten.«
Grace verschränkte die Arme vor der Brust. »Kann er nicht oder will er nicht? Denn wenn er sich weigert, nachdem er dich so gut wie entehrt hat, dann müssen wir mit Tante Letitia und Tante Viola sprechen, damit sie seinem Onkel, William Pender, einen Besuch abstatten. Er ist ein Gentleman und wird schon dafür sorgen, dass sein Neffe seine Pfllicht dir gegenüber erfüllt.«
Eliza sah seufzend ihre Schwester an. »Lord Somerton hat nichts getan, was ich nicht wollte.«
Grace blinzelte verwirrt.
Eliza rappelte sich mühsam aus dem Bett auf und stellte sich vor den Kamin. »Ich wollte, dass er mich küsst.« Wollte, dass er mich berührt. Wollte … ihn .
Ihre Schwester öffnete entsetzt den
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