Stuermischer Zauber
seine Lippen und sein Kinn, die einzige Partie seines Gesichts, die unter der Maske zu erkennen war. Er hatte ein kantiges Kinn. Kam es ihr bekannt vor? Sie konnte es nicht sagen. Erneut dachte sie an Ballister. Aber wenn sie mit ihm zusammen war, machte seine Gegenwart sie wachsam, während dieser Fremde sie anzog, wie eine Kompassnadel vom Magneten angezogen wurde.
»Seid Ihr alleine hier, Mylady?«, fragte er, als sie zurück zur Mitte des Gartens spazierten. Trotz der vielen Leute, die unterwegs waren, hatte sie das Gefühl, als bewegten sie sich in einer abgeschiedenen Luftblase, in der sie sich nur der Gegenwart des jeweils anderen bewusst waren.
Selbst wenn sie allein hier wäre, wäre sie nicht Närrin genug, dies zuzugeben. »Ich bin mit einigen Freunden gekommen, und selbst in diesem Moment passt ein Wächter auf mich auf.«
Ein Lächeln schwang in seiner dunklen, samtweichen Stimme mit. »Mylady, Engel werden Euch stets beschützen, wohin auch immer Ihr geht.«
Warum war ein französischer Akzent nur so unglaublich erotisch? Vor lauter Anziehungskraft wurde ihr beinahe schwindelig. Sie wollte die Hände über seinen Körper gleiten lassen, wollte die Muskeln und Sehnen spüren, die unter seinem Domino lagen. Gwynne atmete langsam ein, um ihren ungebärdigen Verstand zu beruhigen. »Seid Ihr ein Engel oder ein Teufel, Mylord?«
»Ich bin weder das eine noch das andere, ich bin nur ein Mann. Einer, der von Schönheit bezaubert wird.«
Sie musste lachen. »Ihr geht zu weit, Ihr Schmeichler. Ich könnte die hässlichste Frau der Christenheit sein, und Ihr wärt nicht in der Lage, es festzustellen, da ich so gut maskiert bin.«
»Man kann Schönheit spüren, auch wenn sie maskiert ist. Es lag bereits Schönheit darin, wie Ihr stolz und allein in der Nacht standet.« Seine Fingerspitzen glitten sanft über die Innenseite ihres behandschuhten Handgelenks. »Es liegt Schönheit in Eurer Haltung und der ungebundenen Art, wie Ihr geht. In der Linie Eures Armes. Schönheit liegt auch in Eurer weichen Stimme, die sowohl beruhigt als auch erregt.« Er berührte mit seinen Fingerknöcheln behutsam ihren Hals, und Schauer rannen durch ihren Körper. »Ihr seid eine Sinfonie der Anmut. Euer Gesicht und Eure Gestalt zu sehen würde diesen Eindruck nur verstärken, da ich dann Eure Lebendigkeit und Euer Lachen kennenlernen könnte.«
Seine Komplimente machten sie sprachlos. Sie hatte lernen wollen, wie man flirtet, aber sie war aus der Übung. Der dunkle Mann hingegen war ein Meister im Flirten. »Ihr könntet einen Engel vom Himmel herablocken, damit er Euren süßen Worten lauscht, Mylord. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe nicht mal einen Fächer, um ihn Euch auf die Finger zu schlagen, weil Ihr so dreist seid.«
Sein Lachen war weich und voll. »Ich bin dankbar, dass Ihr dieser wunderbaren Waffe entbehrt. Es ist besser, wenn wir einfach die Gesellschaft und den Zauber dieser Nacht genießen.«
Sie fragte sich, ob er hoffte, sie zu verführen. In den Büschen am Wegesrand raschelte es verräterisch von den Paaren, die sich danebenbenahmen. Aber vermutlich war es sogar für einen silberzüngigen Franzosen anmaßend, wenn er dachte, er wäre vielleicht in der Lage, eine Frau ins Gebüsch zu drängen, die er gerade erst kennengelernt hatte. Es sei denn, ihr scharlachroter Domino täuschte ihn? Aber er machte ihr keinen unanständigen Antrag. Sein Benehmen war ganz und gar tadellos, wie es bei einem wahren Gentleman sein sollte.
Er führte sie vom Hauptweg in eine Grotte, in der ein Springbrunnen plätscherte. Bunte Lampions beleuchteten eine nackte Frauenstatue, die von einer Schlange an den pikanten Körperstellen umschlungen wurde. Wasser rann aus dem Maul der Schlange. »Für jene unter uns, die abgestumpft sind, wirkt das schmückende Beiwerk ermüdend, doch manche schwärmen dafür und finden es wunderbar.« Er schöpfte eine Hand voll Wasser aus dem Becken und ließ es zwischen seinen Finger herabrinnen. Die Tropfen glitzerten im Licht. »Zu welcher Gruppe gehört Ihr, Mylady?«
»Ich bin bisher nie in New Spring Gardens gewesen, daher entscheide ich mich, alles wunderbar zu finden. Wie kann man es nicht bezaubernd finden, wenn so viele Leute die Gegenwart anderer genießen? Diese Statue wirkt bei Tageslicht vielleicht vulgär, doch in der Nacht beflügelt sie die Vorstellungskraft.«
»Ich habe soeben neue schöne Seiten an Euch entdeckt«, sagte er leise. »Ihr habt eine reine Seele und einen
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