Stuermischer Zauber
wachen Verstand.«
»Da kann ich mich glücklich schätzen, dass wir maskiert sind, Mylord. Sonst wüsstet Ihr, dass ich ganz und gar gewöhnlich bin. Die Realität ist nie so wie unsere Vorstellungen.«
»Ich muss Euch widersprechen, meine scharlachrote Lady.« Er nahm ihren Ann und führte sie zurück zum breiten Weg. »Illusionen sind so hauchdünn wie Wolken und bieten uns doch keine Befriedigung. Die Realität kann wie eine verzehrende Flamme sein.« Ein schelmisches Grinsen schwang in seiner Stimme mit. »Obwohl ich dankbar sein muss, wenn Ihr Euch die Illusionen über mich erhaltet. Ich tue nicht so, als wäre ich gewöhnlich. Vielleicht wäre es für mich besser, wenn ich es wäre.«
»Nein«, erwiderte sie förmlich. »Wünscht Euch nicht, weniger zu sein, als Ihr seid. Selbst mit der Maske seid Ihr außergewöhnlich. Fesselnd. Rätselhaft. Ein Meister der Worte. Ein Zauberer der Träume.«
»Dann wird es das Beste sein, wenn wir uns nie demaskieren, Mylady. Denn ich werde nicht in der Lage sein, Euren hohen Ansprüchen zu genügen.«
Seine Worte erinnerten sie daran, wie künstlich dieses Intermezzo war. Sie ließ sich von einem Mann bezaubern, der eher das Ergebnis ihrer Vorstellungskraft war und nicht der Realität.
Eine Gruppe betrunkener junger Gecken stolperte vorbei. Sie nahmen fast die gesamte Breite des Weges ein. Behutsam trat der dunkle Mann zwischen sie und die Randalierer, und sie konnte sehen, wie er die jungen Männer nicht aus den Augen ließ, bis sie an ihnen vorbei waren. Er war vielleicht für sie ein Fremder, aber seine Stärke und Höflichkeit waren echt.
Sie erreichten den Säulengang mit den Logen für das Abendessen. Die Loge der Tuckwells war noch immer leer. Gwynne wollte gerade vorschlagen, dass sie die Loge benutzen könnten, als der Mann sie zu einer anderen Ecke führte, die er vermutlich schon im Vorfeld reserviert hatte. War er heute Nacht in die Gärten gekommen, weil er eine willige junge Frau auflesen wollte? Sie überlegte, dass er sich seiner Sache sehr sicher gewesen sein musste. »Ihr sprecht mit französischem Akzent. Lebt Ihr in Zukunft hier in London?«
»Nein, Mylady.« Er setzte sich neben sie, gerade so nah, um sie zu berühren. Doch er berührte sie nicht. »Ich bin in Eurer großartigen Hauptstadt lediglich zu Besuch.«
Gwynne schalt sich selbst, weil sie dies sogleich bedauerte. Sie verhielt sich weiblich, denn kaum lernte sie einen attraktiven Mann kennen – dessen Namen und Gesicht sie nicht einmal kannte! –, schon wollte sie über eine mögliche Zukunft mit ihm nachdenken. Die einzige Begebenheit, die sie verband, war dieser flüchtige, kurzlebige Flirt. Sie sollte dieses einmalige Ereignis genießen, das zu aufregend war, um in der Wirklichkeit Bestand zu haben. Doch wenn sie einander tatsächlich kannten, wäre ihre Aufregung nicht kleiner.
Der dunkle Mann flüsterte dem Diener eine Bestellung zu, und beinahe augenblicklich wurden ausgewählte Erfrischungen aufgetragen. Gwynne begutachtete interessiert den Teller mit hauchdünn geschnittenem Schinken. »Diese Scheiben sind so dünn, dass sie beinahe durchsichtig wirken. Der Koch muss einige Fertigkeit besitzen, wenn er ihn so dünn schneiden kann.«
»Sie sagen, ein ganzer Schinken kann in so dünne Scheiben geschnitten werden, dass sie die kompletten New Spring Gardens bedecken können.« Der dunkle Mann hob einen zerbrechlich wirkenden Kringel Schinken hoch und rollte ihn zu einem Zylinder auf. »Es ist ein Wunder, aber diese Speisen sollen auch eher den Appetit anregen, statt zu sättigen.«
Der aufgerollte Schinken berührte ihre Lippen. Sie öffnete den Mund und nahm den Leckerbissen. Der köstliche, salzige Schinken schmeckte auf ihrer Zunge so sinnlich wie ein Kuss. Sie fühlte sich auf wunderbare Weise verrucht, obwohl sie in der Loge sicher war, die von allen Seiten einsehbar war. Nachdem sie den Bissen heruntergeschluckt hatte, sagte sie: »Vorfreude und Spannung sind bestimmt das Schönste am Essen -und beim Flirten.«
Sie wollte ein Stück Schinken nehmen, um es ihm anzubieten, als er plötzlich nach ihrer Hand griff. Sein Blick hielt ihren fest, während er sehr behutsam ihren Handschuh auszog. Die Berührung seiner warmen Finger sandte erneut ein Zittern durch ihren Körper. Als sich ihr Handgelenk ihm nackt darbot, beugte er sich vor und drückte einen Kuss auf ihren Puls. »Verlangen kann gleichermaßen reizend und erfüllend sein, Mylady«, flüsterte er.
Gwynne schnappte
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