Stuermischer Zauber
Aufmerksamkeit richtete sich von der Gegenwart auf eine andere Zeit.
»Ist etwas geschehen?«, fragte Duncan rasch.
»Ich … ich bin mir nicht sicher. Ich werde darüber nachdenken.« Mit sichtlicher Anstrengung konzentrierte Simon sich auf seinen Gast. »Zumindest wird das Wetter in London nicht mehr so düster und feucht sein, wenn du nicht länger mit gebrochenem Herzen in meinem Haus vor dich hin brütest.«
Ein Klopfen erklang von der Eingangstür. Ohne auf seinen Lakai zu warten, ging Simon die wenigen Schritte und öffnete. Ein ordentlich gekleideter Stallbursche überreichte einen versiegelten Brief. »Eine Nachricht für Lord Ballister, Sir.«
Duncan kam näher und nahm den Brief. Er gab dem Überbringer eine Münze. »Wird eine Antwort erwartet?«
»Nein, Sir.« Der Bursche verbeugte sich und kehrte zu seinem wartenden Pferd zurück.
Nachdem die Tür geschlossen war, brach Duncan sogleich das Wachssiegel. Nur wenige Leute wussten, dass er in London war. Seine Gesichtszüge verhärteten sich, während er die höfliche Nachricht las.
Da ihm Duncans Gesichtsausdruck auffiel, fragte Simon: »Was ist los?«
»Lady Brecon erbittet die Ehre meiner Gegenwart. So schnell es mir möglich ist.« Duncan verzog das Gesicht. »Wie schade, dass ich nicht fünf Minuten eher aufgebrochen bin!«
Sein Freund hob erstaunt die Brauen. »Ich dachte, du wärst froh, von ihr zu hören?«
»Wenn man bedenkt, wie wütend sie bei unserem letzten Zusammentreffen davongestürmt ist, vermute ich, sie wird mir bis ins kleinste Detail darlegen, wie unhöflich ich mich verhalten habe.« Duncan stockte. Die Erinnerung an ihren Kuss lenkte ihn ab. »Ich werde auf meinem Weg nach Norden bei ihr vorsprechen.«
»Wenn du es lieber nicht tun willst, kann ich eine Botschaft schicken, dass du bereits die Stadt verlassen hast.«
»Sie hat das Recht, mich zu geißeln. Ich sollte meine Sünden gestehen, mich über die Maße bei ihr entschuldigen und gehen.« Ihre schroffen Worte waren es wert, wenn er sie dafür ein letztes Mal sehen durfte.
Was für ein dreifach verfluchter Dummkopf er war!
Zu dem Zeitpunkt, als Duncan Richmond erreichte, hatte er seine Gefühle gut im Griff. Die Endgültigkeit ihrer letzten Begegnung machte es für ihn leichter, da er sich nun nicht länger damit abplagen musste, Gwynne zu umwerben. Dies wäre die Gelegenheit, ihr Lebewohl zu sagen und für die Zukunft alles Gute zu wünschen, selbst wenn sie wütend war.
Da er eine Frau brauchte, würde ein versöhnlicher Abschluss dieser Episode es ihm leichter machen, sich anderswo umzusehen, wenn der schlimmste Verlustschmerz abgeklungen war. Die Macleods of Skye hatten einen Köcher voll hübscher Töchter, und sie waren allesamt magisch talentiert. Vielleicht traf ja eine von ihnen seinen Geschmack. Eine Frau aus einer schottischen Familie zu heiraten wäre allemal besser, als die Ehe mit einer unwilligen Engländerin anzustreben.
Lady Bethanys Diener erkannte ihn. »Wenn Ihr bitte im kleinen Salon wartet, Mylord. Ich werde Lady Brecon informieren, dass Ihr da seid.«
Duncan trat in den Salon und wurde sogleich von einer Welle psychischer Energie getroffen, bei der sich ihm die Barthaare gesträubt hätten, wenn er eine Katze wäre. Was hatte Lady Bethany hier zuletzt getrieben?
Da Gwynne ihn vermutlich warten ließ, beschloss er, die Zeit zu nutzen, um seine analytischen Fähigkeiten zu schärfen. Er schritt durch den Raum und versuchte, die unterschiedlichen Energiespuren zu erkennen. Interessant … er spürte deutlich die Spuren mehrerer Ratsmitglieder. Sie mussten diesen Raum für eine Sitzung genutzt haben. Und es war noch nicht lange her.
Er versuchte zu ergründen, worüber sie diskutiert hatten. In der Luft hing eine Schwere, die ihn vermuten ließ, dass es die Sorge um einen drohenden Krieg war. Doch es hingen noch andere Themen in der Luft. Er hatte das deutliche Gefühl, dass auch sein Name genannt worden war …
»Mein lieber Lord Ballister.«
Duncan war so sehr in seine Analyse vertieft, dass Gwynnes Stimme ihn überraschte. Er fuhr herum und sah sie in der Tür stehen. Sie wirkte, als wäre sie bereit, sich in die Luft zu erheben. Ihr gepudertes Haar war streng zurückgekämmt, und sie trug ein schlichtes, grün gestreiftes Baumwollkleid. Die pure Reinheit ihres Erscheinungsbildes war beinahe unerträglich provokant.
Er flüchtete sich in eine tiefe Verbeugung. »Euer Bote hat mich kurz vor meiner Abreise nach Schottland erwischt. Ich bin
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