Stuermischer Zauber
Montague und sein Schicksal an? Das ist ein Thema, das im Moment bestimmt vor Energie pulsiert.«
Sie zog die Nase kraus. »Allerdings. Jetzt entspanne ich mich, beruhige meine Gedanken und denke dann an das, was ich sehen möchte?«
Er nickte, obwohl es dessen kaum bedurfte. Selbst die Kinder der Wächter kannten die Prinzipien des Wahrsagens. Einen schmerzhaften Augenblick lang erinnerte Gwynne sich an ihre zahllosen vergeblichen Versuche.
Diesmal würde es anders sein. Sie schloss die Augen und beruhigte ihre umherwirbelnden Gedanken. Als sie zur Ruhe gekommen war, formulierte sie stumm eine Frage nach Williams emotionalem Zustand. Wie sah seine Zukunft aus?
Ein Dutzend Herzschläge lang sah sie nichts. Dann erfüllte ein Licht ihre Gedanken. Sie öffnete die Augen und blickte in den Wahrsagespiegel. Da! Sie sah William. Ihr wurde bewusst, dass das Bild im Spiegel nicht präzise war. Vielmehr war es in ihren Gedanken, und der Obsidian brachte es in ihr Blickfeld.
»Er ist in einem fensterlosen Raum irgendwo in den Katakomben des Schlosses – ich denke, es ist ein Vorratsraum. Ich sehe Regale, Säcke und Fässer mit Vorräten. Sein Vater hat ihn dort eingesperrt, damit er nicht davonläuft und sich den Rebellen anschließt. Aber seine Mutter hat für Essen, Trinken und Decken gesorgt.«
»Kannst du noch mehr Details erkennen?«
Sie konzentrierte sich und biss sich in die Lippe. »Er liegt auf dem Bauch auf der Decke und weint, denn er ist sich sicher, dass er sein Leben zerstört hat. Er darf mich nicht haben, hat seiner Familie Schande gemacht und wird in Ungnade fortgeschickt. Lieber Gott, der arme Junge! Wenn er … wenn er seinen Dolch hätte, würde er ihn benutzen, um sich die Kehle durchzuschneiden.« Die Trostlosigkeit seines Schmerzes durchströmte und erschöpfte sie.
»Lass nicht zu, dass die emotionale Energie dessen, was du vorhersagst, deine eigenen Gefühle vergiftet!«, sagte Duncan scharf. »Das ist eine echte Gefahr. Du musst zu dem, was du siehst, Distanz wahren. Beschütze dich mit weißem Licht, damit die Wut und die Verzweiflung anderer dich nicht berühren.«
Sie atmete tief durch; einmal, zweimal, dreimal, während sie sich zugleich vorstellte, ein Schild aus weißem Licht würde sie umgeben. Obwohl sie all diese Techniken studiert hatte, war es etwas völlig anderes, sie zu benutzen.
»Bist du wieder im Gleichgewicht?« Nachdem sie nickte, fuhr Duncan fort: »Versuche, in Williams Zukunft zu blicken. Wenn es wahrscheinlich ist, dass er Selbstmord begeht, müssen wir Schritte einleiten, um das zu verhindern.«
Sie verzagte, als sie sich vorstellte, Williams toten Körper zu sehen, doch Duncan hatte recht – wenn Suizid eine mögliche Zukunft war, die verhindert werden konnte, mussten sie handeln. Es wäre zu tragisch, wenn ein junger Mann nach einem einzigen dummen Fehler sein Leben wegwerfen würde.
Was hält die Zukunft für William bereit? Sie atmete erleichtert aus, als sie spürte, dass er durch diese dunkle Zeit gehen würde, ohne zu versuchen, sich selbst zu zerstören. »Lord Montague wird sehr schnell handeln und ihn aus Großbritannien fortschaffen – innerhalb von zwei Wochen, denke ich. Er wird an einen … einen warmen, tropischen Ort reisen.« Sie runzelte die Stirn und fragte sich, wohin die Reise gehen würde. »Ich glaube, es ist Jamaika.«
»Wird er dort lange bleiben, oder wird er sofort zurückreisen, um sich dem neuerlichen Aufstand anzuschließen?«
Duncans Fragen brachten neues Wissen ans Tageslicht. »Er wird versucht sein, zurückzukehren und den Prinzen zu unterstützen, aber sein Wunsch, sich mit seiner Familie zu versöhnen, wird größer sein. Er wird eine Zuckerrohrplantage seines Vaters verwalten und sehr hart arbeiten. Mit der Zeit wird er lernen, die Westindischen Inseln zu lieben.«
»Wird er sich von seiner Fixierung auf dich erholen?«
»Zu dem Zeitpunkt, da er auf Jamaika ankommt, wird er bereits nicht mehr wissen, warum er diesen Zwang verspürte, mich zu entführen – es wird ihm wie ein schlechter Traum vorkommen.« Ein neues Bild tauchte auf: der hochgewachsene junge William und ein hübsches, blondes Mädchen an seiner Seite. Sie blickt mit großen Augen bewundernd zu ihm auf. »Er wird dort eine Frau kennenlernen – die Tochter eines anderen Pflanzers, glaube ich.« Ihre Anspannung wich einem Lächeln. »Sie werden zusammen glücklich werden. Es wird Kinder geben, und hin und wieder wird er nach England reisen und seine Familie
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