Stürmisches Paradies
hatte. Jacob und Anna hätten ihr Enkelkind ebenso geliebt, wie sie sie geliebt hatten, nämlich bedingungslos.
Alicia atmete tief ein und wischte sich die nassen Wangen ab. »Danke, Sam. Ich musste mich wieder daran erinnern.«
»Dafür sind Schwestern ja da«, antwortete sie.
»Habe ich dir eigentlich gesagt«, fragte Alicia und sah ihrer Schwester in die Augen, »wie dankbar ich bin, dass ich dich wiedergefunden habe?«
Sam lächelte. »Ich glaube, du hast es mir jeden Tag gesagt, seitdem du in St. Kitts angekommen bist.«
»Es ist alles so außergewöhnlich, nicht wahr? Was mit uns passiert ist, wie wir uns wiedergefunden haben?«
»Es wird eine interessante Gutenachtgeschichte für dein Kind werden.«
»Das wird es sicher.«
Alicia berührte die Schnitzereien liebevoll und stand dann auf. Schweigend gingen sie und Sam auf den gewundenen Wegen aus dem Friedhof heraus. Obwohl es gar nicht ihr Ziel war, war Alicia dennoch nicht überrascht, als sie plötzlich hinter ihrem Haus auf einem kleinen Hügel standen und auf ein einfaches weißes Kreuz hinabsahen.
»Ich habe mich schon immer gefragt, wer hier wohl begraben liegt, aber Jacob hat dann bloß gesagt, es wäre eine verlorene Seele und dass man sich selbst an verlorene Seelen erinnern müsse. Irgendwie muss ein Teil von mir es gewusst haben, denn ich bin ziemlich oft hierher gekommen.« Alicia lächelte. »Ich habe ihr schon Blumen gebracht, bevor ich wusste, wer sie war.«
»Jetzt ist sie nicht mehr verloren, Alicia, und Vater ebenfalls nicht. Wenn ich für die Geburt zurückkomme, werde ich ihnen Grabsteine setzen lassen, und wir werden eine ordentliche Feierstunde für sie abhalten. Sie wird nicht länger ein namenloses Kreuz sein.«
Alicia nickte. Sam wollte ein schönes Grabkreuz aus Holz machen und die Namen ihrer Eltern und ein Abbild der Destiny , dem Schiff ihres Vaters, einschnitzen.
Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen. Zwischen den Anflügen von Übelkeit, den Tränen, die nie zu versiegen schienen und dem Umstand, dass Sam an diesem Tag abreisen würde, fühlte Alicia sich schon ganz erschöpft, und es war erst später Vormittag.
»Bist du sicher, dass du nicht noch ein paar Tage bleiben kannst?«
Sam ließ den Kopf sinken, dann sah sie ihre Schwester an.
»Du weißt, ich würde nichts lieber tun, aber ich werde zurück sein, wenn das Baby kommt.«
Alicias Herz zog sich schmerzhaft zusammen. »Bis dahin muss noch so viel Zeit verstreichen.«
»Das tut sie auch, aber ich muss wieder zurück. Ich wünschte, ich könnte dich davor beschützen, was auf dich zukommt, aber das kann ich nicht. Das Einzige, was ich tun kann, ist, dich daran zu erinnern, den Kopf hochzuhalten. Worte können dir nicht weh tun.«
»Sie tun Luke weh.«
Sams Lächeln war gequält. »Er hat mir erzählt, dass er bei dir war, um mit dir zu reden.«
»Er hat mir Einiges zum Nachdenken gegeben, darüber, was mein Kind aushalten muss, wenn es aufwächst.«
»Es wird nicht einfach werden, für keinen von euch.«
Alicia seufzte, streckte die Hand aus und zupfte ein paar Grashalme aus der Erde. Zerstreut spielte sie mit ihnen herum. »Ich weiß, und es von Luke zu hören, hat alles bloß noch schlimmer gemacht. Es ist eine Sache, zu glauben, ich weiß was passieren wird, aber ein ganz andere, es von jemandem zu hören, der es erlebt hat.«
»Man wird euch beiden üble Schimpfwörter hinterherrufen, die Leute werden dir aus dem Weg gehen, und dein Kind wird es ebenso schwer haben.« Sam presste ihre Hand auf die von Alicia. »Ich hasse es, zu wissen, dass du hier alleine sein wirst, dies alles durchstehen musst und ich nichts tun kann, um dir zu helfen.« Sie hielt inne und drückte Alicia aufmunternd die Hand. »Aber Luke hat es überlebt und sieh, was für ein Mann er geworden ist.« Stolz schwang in Sams Worten mit und ließ Alicia lächeln.
»Er ist ein guter Mann. Ich mag ihn.«
Sams Augen funkelten. »Genau wie ich. Und ich weiß, er hat dir gesagt, das Beste, was du tun kannst ist, dieses Kind so zu lieben, wie die Davidsons dich geliebt haben, ganz und gar und ohne Einschränkung.«
»Das ist leicht. Das tue ich ja bereits.«
»Mehr kannst du nicht tun. Bedauerlicherweise können wir nicht ändern, was andere Leute sagen oder denken. Lukes Gefühle wegen seiner Abstammung stammen nicht von den Stadtmenschen, sie kommen von seinem Stiefvater.«
»Ich habe nicht die Absicht, jemand anderen zu heiraten.«
»Du bist noch jung, das wird sich
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