Stürmisches Paradies
Vater, und offensichtlich hatte er sich ebenfalls nicht die Mühe gemacht, Alicia zu erzählen, dass sie eine Schwester hat.«
Beiden Männer klappte der Unterkiefer runter. Nate erholte sich als Erster. Er pfiff.
»Das ist ein übler Schlag. Wie ist sie denn überhaupt an ihn geraten?«
Weil Blake Port Royal schon vor Alicias Ankunft verlassen hatte, konnte er es seinen Freunden nicht sagen. Die Tatsache, dass Jacob Davidson eine Fremde einfach so aufgenommen hatte, war alles, was er wissen musste.
»Ich kenne die Einzelheiten nicht. Da war ich bereits fort.«
»Nun, offensichtlich hielt er genug von dir, um sie zu dir zu schicken. Tust du es deshalb?«
»Ich tue diesem Mann keinerlei Gefallen. Und wie ich euch schon vorher erzählt habe, hatte ich ihre Bitte bereits abgelehnt. Doch jetzt, wo sie hier ist -« er zuckte die Achseln – »Ich will sie bloß loswerden. Sie dorthin zu bringen, wo sie hin will, scheint die schnellste Möglichkeit zu sein, genau das zu erreichen.«
Vincent drehte sich zu Nate um. Sein Lächeln war so breit, dass seine Augen beinahe in seinen Wangen verschwanden.
»Ich kaufe ihm diesen Haufen Mist nicht ab, du etwa?«
Nate versuchte wenigstens sein Grinsen hinter einer seiner großen Hände zu verbergen. »Nicht für eine Sekunde«, antwortete er. »Außerdem hat er mir beinahe den Kopf abgerissen, als ich ihm erzählte, dass ich in der Kombüse mit ihr geredet habe.«
»Das habe ich nicht«, widersprach Blake.
»Doch, das hast du.«
Blake schüttelte den Kopf, aber er widersprach nicht weiter. Er warf stattdessen einen schnellen Blick das Deck hinunter, aber Alicia lag immer noch auf dem Rücken und bemerkte gar nicht, dass über sie geredet wurde.
»Er kann sie nicht mal aus den Augen lassen«, spottete Vincent. »Da zeigt sich wieder seine Ritterlichkeit. Die Maid braucht Hilfe, und unser Blake reitet los, um sie zu retten.«
»Erinnere mich daran, dir mehr Arbeit zu geben, Vincent. Dann wirst du weniger Zeit haben, dir das Maul zu zerreißen.«
»Da braucht es schon etwas anderes«, kicherte Nate.
Blake grinste Nate an, und die Anspannung, die er vorher gespürt hatte, ließ nach. Sie waren gemeinsam schon durch zu Vieles gegangen, als dass sich ein Mädchen – oder eine Frau – zwischen sie stellen konnte.
Vincent ignorierte die Beleidigung. »Wie ist sie denn so?«, fragte er Nate.
»Das erzähl ich dir später«, antwortete dieser grinsend. Dann legte er beruhigend seine Hand auf Blakes Schulter und sagte: »Falls du heute Nacht irgendwie Hilfe brauchst mit ihr, dann bin ich mehr als bereit dazu, dir behilflich zu sein.«
Blake sah zu, wie Nate mit ausgreifenden Schritten zur Hauptluke ging. Er wusste, Nate hatte diese letzte Bemerkung absichtlich gemacht, um ihn zu reizen, doch er gab sich redliche Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, dass es auch funktioniert hatte. Blake wusste, es war ihm nicht gelungen, denn Vincents Schultern zuckten verdächtig vor Vergnügen, als dieser sein Lachen unterdrückte.
»Schieß los! Ich weiß doch, du willst gewiss noch etwas loswerden.«
»Ich doch nicht«, antwortete Vincent. Aber er brauchte ein paar Minuten, bis seine Belustigung verebbte und er wieder ernst wurde.
»Port Royal birgt bittere Erinnerungen für dich.«
Blake machte sich gar nicht die Mühe, zu antworten. Sie hatten gewusst, dass Blake nur ungern dort war, als er zu Jacobs Beerdigung nach Port Royal gereist war.
»Du hast nie erzählt warum, aber Alicia spielt dabei eine Rolle, oder irre ich mich da?«
Blake presste sich die Hand auf die Augen. »Nicht in dem Maße, wie du glaubst.«
»Aber sie ist darin verwickelt?«
»Ja.«
»Und daran erinnert sie sich ebenfalls nicht?«
Blake schüttelte den Kopf.
»Dann solltest du es ihr vielleicht erzählen.«
»Warum, in Gottes Namen, sollte ich das tun?«, widersprach Blake.
»Weil ich glaube, du willst dich in St. Kitts nicht nur von Alicia befreien, sondern auch von den Erinnerungen, die du zu vergessen versuchst.«
Mit einem letzten vielsagenden Blick kletterte auch Vincent durch die Hauptluke hinab.
Wieder allein gelassen, kehrte Blake zum Heck zurück und packte fest das Steuerruder. Seine Gedanken waren aufgewühlt. Er wollte nicht mit Alicia über ihren heiß geliebten Vater sprechen. Er hatte Port Royal aus einem bestimmten Grund verlassen und hatte kein Bedürfnis, sich jetzt damit zu befassen. Welchem Zweck würde das auch dienen? Der Mann war schließlich tot. Es war ein wenig spät, um
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