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Stürmisches Paradies

Stürmisches Paradies

Titel: Stürmisches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Beattie
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herrschte, und selbst der Geruch des verspäteten Mittagsmahles, das zubereitet wurde, heiterte niemanden auf. Sie hatten vier Mann verloren, und jeder spürte den Verlust.
    Blake nickte. »In Ordnung, du weißt, wo du mich finden kannst.«
    Als er die Luke öffnete und die Stufen hinabstieg, spürte er, wie ihn ein Gefühl des Nach-Hause-Kommens umgab und ihm etwas von seiner Erschöpfung nahm. Hier war er nicht mehr der Kapitän, war nicht mehr der Mann, den andere um Rat fragten. Hier konnte er einfach Blake sein und konnte sich Zeit nehmen, um die Männer zu trauern, die er verloren hatte. Er konnte Alicia so lange im Arm halten, bis er sich wieder ruhig fühlte. Alicia, dachte er und schüttelte den Kopf. Wer hätte gedacht, dass das Mädchen, das er gehasst hatte, die Frau geworden war, die er brauchte?
    Sein Lächeln verschwand, als er den Boden erreichte und sie nicht da war. Wo war sie? Die Schlacht war schon seit Stunden vorbei, sie würde sich doch nicht noch immer unter dem Bett verstecken? Sein Brustkorb zog sich zusammen. Sie war doch nicht inmitten des Chaos nach oben gegangen, oder etwa doch?
    Ein Schluchzen drang hinter den Stufen hervor. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, als er um die Leiter rannte. Er fand sie hinter der Truhe, an die Wand gepresst und zusammengerollt. Ihre Fingerknöchel waren an den Stellen weiß, wo sie ihre Hände fest um ihre angezogenen Beine gepresst hatte.
    »Alicia?«, fragte er und beugte sich auf ein Knie. Er legte seine Hand auf die ihre und war schockiert, dass sie eiskalt war. »Mein Sonnenschein, bist du verletzt?«
    Aus ihrem Hals drang ein quäkendes Geräusch.
    Ihm sank das Herz in die Hose. Er hatte den Rumpf überprüft, hatte keine Löcher darin gesehen und deshalb angenommen, dass es ihr gut ginge. Danach hatte er so viel zu tun gehabt. Warum zum Teufel hatte er sich nicht zwei verdammte Minuten lang Zeit genommen und nach ihr gesehen?
    »Kannst du sprechen? Bitte sag mir, ob du verletzt bist.« Er strich ihr mit den Händen über die Arme und Beine, aber fühlte nichts außer ihrem Zittern.
    Sie hob den Kopf, und Blake fühlte sich, als ob man ihn geschlagen hätte. Ihr Haar war zerzaust, ihr Gesicht kreidebleich, und der Blick ihrer Augen raubte ihm den Atem. Sie schien völlig am Ende ihrer Kräfte zu sein.
    »Hat dir jemand weh getan?« Er sah rot vor Zorn. Wenn irgendjemand ihr etwas getan hatte …
    Sie schüttelte den Kopf, und Blake beruhigte sich.
    »Ist schon in Ordnung. Uns geht es gut. Nate und Vincent, wir sind alle hier.« Er erzählte ihr nichts von den Todesfällen, es war sinnlos, ihr weiteren Kummer zu machen.
    »Das ist es nicht«, sagte sie und weinte wieder.
    Blake fühlte sich vollkommen hilflos und wischte ihr mit dem Daumen die Tränen fort.
    »Mein Gedächtnis ist zurückgekehrt«, krächzte sie und presste die Augen fest zusammen. »Ich habe mich an alles erinnert. Es waren Piraten.«
    Es dauerte einen Moment, bis er die volle Tragweite ihrer Worte verstand, doch als er es tat, fluchte er. Sie hatte sich daran erinnert, wie ihre Familie ermordet worden war, und sie war ganz alleine mit ihren Erinnerungen gewesen. Alicias Schultern zuckten von ihrem Schluchzen und konnten mit ihrem Tränenschwall nicht Schritt halten. Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, setzte sich Blake neben sie an die Wand und zog sie zu sich auf den Schoß. Er schlang die Arme um sie und küsste sie auf den Kopf.
    »Es tut mir leid, dass ich nicht hier war«, murmelte er, während seine Hand ihren Rücken streichelte.
    »Ich dachte immer, ich wolle es wissen«, weinte sie. »Aber jetzt wünschte ich mir, ich wüsste es n-nicht.«
    Blake hat nie zuvor solche Verzweiflung miterlebt und wusste nicht, wie er sie lindern sollte. Da er selbst noch nie etwas so Unaussprechliches durchlitten hatte, konnte er ihr keine Worte des Trostes anbieten. Er wünschte sich tausend Dinge gleichzeitig: dass er ihr dies hätte ersparen können oder dass er eher da gewesen wäre. Dass er sie in ihrem Innern erreichen und ihr den Kummer abnehmen könnte. Stattdessen hielt er sie bloß fest und ließ ihre Tränen über seine Brust strömen. Er konnte nur hoffen, dass seine Anwesenheit hilfreich war.
    Alicia fühlte sich wie eine Muschel, die aufgebrochen und ausgesaugt worden war, bis sie roh und leer war. Alles tat ihr weh. Ihr Kopf pochte vom Weinen, ihr Hals kratzte beim Schlucken, und ihre Brust fühlte sich an, als ob ihr jemand mitten auf dem Herzen sitzen würde. Die

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